Impeachment gegen Trump Kapitol-Sturm versetzte Politiker in Todesangst

Washington · Durch eine ganze Serie eindringlicher Bilder lassen die Ankläger im Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump die Erinnerung an den Angriff auf das Regierungsgebäude wieder aufleben.

  Stacheldraht schützt das US-Kapitol während des zweiten Amtsenthebungs-Verfahrens gegen Ex-Präsident Trump. Anfang Januar hatten Dutzende seiner Anhänger das Gebäude gestürmt und die Flure und Büros nach "Verrätern" wie Vizepräsident Mike Pence oder Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi durchsucht, um mit ihnen "abzurechnen".

Stacheldraht schützt das US-Kapitol während des zweiten Amtsenthebungs-Verfahrens gegen Ex-Präsident Trump. Anfang Januar hatten Dutzende seiner Anhänger das Gebäude gestürmt und die Flure und Büros nach "Verrätern" wie Vizepräsident Mike Pence oder Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi durchsucht, um mit ihnen "abzurechnen".

Foto: AP/Andrew Harnik

Er habe erst jetzt begriffen, wie nah er der Gefahr gewesen sei, sagte Mitt Romney, nachdem die Aufnahmen einer Überwachungskamera über die Bildschirme im Senat gelaufen waren. Was er an Szenen der Gewalt gesehen habe, treibe ihm Tränen in die Augen. „Es war auf überwältigende Weise schmerzlich und emotional“, kommentierte er, was die Kläger des Impeachment-Prozesses an Beweisen präsentierten.

Romney, den die Republikaner 2012 zu ihrem Präsidentschaftskandidaten kürten, war am frühen Nachmittag des 6. Januar drauf und dran, in sein Verderben zu laufen. Aufgeputschte Anhänger Donald Trumps, viele von ihnen in Kampfmontur, hatten das Kapitol bereits gestürmt, nun zogen sie lärmend durch die Gänge und hielten Ausschau nach Politikern, mit denen sie abrechnen konnten. Der Senat hatte seine Sitzung unterbrochen, man floh vor dem Mob, und im Labyrinth der Korridore ging Romney in die falsche Richtung. Er bewegte sich geradewegs auf Leute zu, die in ihm, einem Kritiker Trumps, einen Verräter sahen. Niemand weiß, wie es ausgegangen wäre, wäre in dem Moment nicht Eugene Goodman aufgetaucht, hätte der Polizist den Senator nicht an der Schulter gefasst und ihm bedeutet, dass er umkehren müsse.

Goodman, seit zwölf Jahren Beamter der Capitol Police, hat später, auf sich allein gestellt, eine Gruppe von Marodeuren auf die falsche Fährte geführt. Er rannte eine Treppe hinauf, auf der ihm die Angreifer folgten. Es ist wohl nur seiner Geistesgegenwart zu verdanken, dass nicht Schlimmeres passierte. Denn auf dem Flur, von dem er die Meute weglockte, lag das Zimmer, in das Mike Pence von seinen Leibwächtern geführt worden war. Der Vizepräsident, den der Mob hängen wollte, weil er sich weigerte, das Wahlergebnis durch verfassungswidrige Manöver zu kippen. Nur 30 Meter trennten die Eindringlinge von seinem Versteck, bevor Goodman, scheinbar die Flucht antretend, in Aktion trat. Knapp war es auch für Chuck Schumer, den Senatsfraktionschef der Demokraten. Auch er lief, ohne es zu ahnen, direkt auf die Aufrührer zu, ehe er, von einem Polizisten gewarnt, in die entgegengesetzte Richtung rannte.

Das alles haben die Kläger, die sogenannten Impeachment-Manager, am Mittwoch dokumentiert. „Ich kann nur hoffen, dass meine Kollegen offen dafür sind“, appellierte Schumer hinterher an die große Mehrheit der Republikaner, die vor Verfahrensbeginn erkennen ließ, dass sie zu einem Freispruch für Trump tendiert. Marco Rubio bescheinigte den Impeachment-Managern immerhin, eine beeindruckende Sammlung vorgelegt zu haben. „Dennoch glaube ich nicht, dass sich daraus ein Schuldspruch ergibt“, schränkte er ein. Lisa Murkowski, eine Konservative auf Distanz zu Trump, sprach dagegen von „ziemlich erdrückenden“ Beweisen.

Zu hören war, was Polizisten über Funk an ihre Zentrale durchgaben, bevor sie überrannt wurden. „10-33!“ „10-33!“ Der Code steht für eine Notsituation. Je länger die Beamten vergebens auf Verstärkung warten, desto verzweifelter klingen die Hilferufe. Man hört, wie ein Assistent Nancy Pelosis ins Handy flüstert, dass draußen der Mob nach ihr suche und die Polizei bitte schnell kommen möge. Zuvor hatten sich acht Mitarbeiter der Parlamentspräsidentin in einem Raum mit einer doppelten Tür verbarrikadiert. Einem der Angreifer gelingt es, die vordere Tür aufzubrechen. Da die hintere standhält, zieht er weiter. Richard Barnett, ein 60-Jähriger aus Arkansas, der es sich, Füße auf dem Tisch, im Sessel der 80-Jährigen bequem macht, trägt am Gürtel einen Elektroschocker. Auch dieses Detail hatte man bislang übersehen. „Wir suchten nach Nancy Pelosi, um ihr eine Kugel in ihr verdammtes Hirn zu jagen“, zitiert die Anklage aus einem Vernehmungsprotokoll des FBI. „Mike Pence wäre getötet worden, hätte sich die Gelegenheit ergeben“, steht in einem anderen.

Präsident Trump, fasst es die Demokratin Stacey Plaskett zusammen, habe ein Ziel auf den Rücken dieser Politiker gemalt, und der Mob sei ins Kapitol eingefallen, um Jagd auf sie zu machen. Joe Neguse, ein Abgeordneter aus Colorado, Sohn von Migranten aus Eritrea, setzt sich mit dem Argument auseinander, wonach Trump lediglich von seinem Recht auf Redefreiheit Gebrauch gemacht habe, als er seine Anhänger aufforderte, zum Parlament zu marschieren und Stärke zu zeigen, wie der Teufel zu kämpfen. „Nur eine Rede? Wann hat eine Rede in unserer Geschichte schon einmal dazu geführt, dass das Kapitol gestürmt wird – mit Waffen?“ Jamie Raskin, der Chefankläger, vergleicht es mit dem Fall eines Feuerwehrchefs, den seine Kommune für das Löschen von Bränden bezahle und der Marodeure anstifte, das Theater der Stadt in Brand zu stecken. Und der dann, statt zu handeln, entzückt zuschaue, wie sich das Feuer ausbreite.

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