Washington Gegenwind auch aus den eigenen Reihen

Washington · US-Präsident Trump erntet für den Truppenabzug an der syrisch-türkischen Grenze Kritik von allen Seiten. Nun versucht er, den Schaden zu begrenzen.

 Für den Abzug der US-Truppen von der syrischen Grenze erntet Donald Trump viel Kritik. Selbst alte Verbündete aus den eigenen Reihen stellen sich gegen den US-Präsidenten.

Für den Abzug der US-Truppen von der syrischen Grenze erntet Donald Trump viel Kritik. Selbst alte Verbündete aus den eigenen Reihen stellen sich gegen den US-Präsidenten.

Foto: dpa/Evan Vucci

Eigentlich hat Donald Trump genug Probleme. Die Demokraten laufen Sturm, ihm droht wegen der Ukraine-Affäre ein Amtsenthebungsverfahren. Es ist also eine denkbar schlechte Zeit, auch noch Parteifreunde gegen sich aufzubringen. Doch genau das hat der Präsident geschafft: Mit dem Abzug von US-Soldaten aus dem syrisch-türkischen Grenzgebiet vor einer geplanten türkischen Offensive hat er auch in den eigenen Reihen einen wütenden Proteststurm entfacht. Der Vorwurf: Trump lässt die Kurdenmilizen, darunter Kämpfer der YPG, in Nordost-Syrien fallen – den wichtigsten Verbündeten der USA im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Ankara sieht in der YPG den syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will seit langem in Nordost-Syrien einmarschieren. Bislang musste er dafür die Rache Trumps fürchten: Der warnte im Januar, die Türkei werde bei einem Angriff auf die Kurden wirtschaftlich vernichtet.

In der Nacht zu Montag ließ dann eine Mitteilung des Weißen Hauses aufhorchen: Die Türkei werde „bald“ mit ihrer seit langem geplanten Operation voranschreiten, hieß es dort. Die USA würden sie nicht unterstützen und sich auch nicht daran beteiligen. US-Streitkräfte würden aber „nicht länger in der unmittelbaren Region sein“. Der IS sei aus seinem „Kalifat“ vertrieben worden. Erdogan dürfte die Mitteilung so gedeutet haben, dass die USA grünes Licht für die geplante Offensive geben.

Entrüstung erntet er aus beiden Kammern des Kongresses – und zwar sowohl von Demokraten als auch von Republikanern. Der Trump-Vertraute Lindsey Graham kündigte für den Fall eines türkischen Einmarsches in Nordsyrien eine parteiübergreifende Resolution im Kongress an, mit der Sanktionen gegen die Türkei verhängt würden. Der Senator wetterte auf Twitter: „Indem wir die Kurden sitzen gelassen haben, haben wir das denkbar gefährlichste Signal ausgesendet – Amerika ist ein unzuverlässiger Verbündeter.“

Seltene Einigkeit in der Kritik gibt es sogar zwischen dem republikanischen Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, und der demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Graham und McConnell vergleichen Trumps Abzugsentscheidung mit der Politik von Barack Obama, der die US-Truppen Ende 2011 aus dem Irak abzog – wo dann die Terrormiliz IS entstehen konnte. Inzwischen versuchte der US-Präsident, mit kryptischen Tweets und vagen Aussagen zurückzurudern und Schadensbegrenzung zu betreiben.

„Wenn die Türkei irgendetwas unternimmt, was ich in meiner großartigen und unvergleichlichen Weisheit für tabu halte, werde ich die türkische Wirtschaft vollständig zerstören und auslöschen“, twitterte Trump. Was er für tabu hält, ließ er offen. Am Dienstag warnte er die Türkei auf Twitter vor „unnötigen“ Kämpfen und betonte, die USA hätten die Kurden „in keiner Weise“ im Stich gelassen -– sie seien „besondere Menschen und wunderbare Kämpfer“.

Das Weiße Haus sah sich am Montag bemüht, die Entscheidung des Präsidenten zu erklären. Der Abzug der US-Truppen aus dem Grenzgebiet in Nordsyrien bedeute keineswegs „grünes Licht“ für die Türken, ein „Massaker“ an den Kurden zu begehen, sagte ein ranghoher Regierungsbeamter. Auch bedeute der Schritt keinen Abzug der US-Truppen aus Syrien. Tatsächlich handele es sich nur um rund 50 Soldaten, die aus dem Grenzgebiet zurückgezogen worden seien. Groß ist die Enttäuschung bei den Kurdenmilizen und der SDF in Nordsyrien. „Die US-Kräfte vor Ort haben uns gezeigt, dass sie Freundschaft und Allianz nicht wertschätzen“, schrieb SDF-Sprecher Mustafa Bali am Montag auf Twitter. Er warf den US-Truppen vor, ihrer Verantwortung nicht nachgekommen zu sein – die Gegend werde mit ihrem Abzug zu einem „Kriegsgebiet“, warnte er. Die SDF werde Nordsyrien jedoch um jeden Preis verteidigen.

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