Ex-Pentagonchef mit 88 Jahren gestorben Arrogant, aber auch integer: Ex-Pentagonchef Rumsfeld ist tot

Washington · Es gebe die bekannten Bekannten, Dinge, „wo wir wissen, dass wir es wissen“. Dann wären da noch die bekannten Unbekannten, „wo wir wissen, dass wir es nicht wissen“. Und schließlich die unbekannten Unbekannten, „wo wir nicht wissen, dass wir es nicht wissen“.

 Donald Rumsfeld war Verteidigungsminister, als die USA unter George W. Bush in den Irak und nach Afghanistan einmarschierten. Nun ist der umstrittene Republikaner mit 88 Jahren gestorben.

Donald Rumsfeld war Verteidigungsminister, als die USA unter George W. Bush in den Irak und nach Afghanistan einmarschierten. Nun ist der umstrittene Republikaner mit 88 Jahren gestorben.

Foto: dpa/Jim_Macmillan

Die seltsamen Sätze aus der Zeit vor dem Irakkrieg haben Donald Rumsfeld bis an sein Lebensende begleitet.

Mit ihnen bürstete er Journalisten ab, die bezweifelten, dass es die von der Regierung George W. Bushs unterstellten Verbindungen zwischen dem Diktator Saddam Hussein und dem Terrornetzwerk Al-Qaida tatsächlich gab. Rumsfeld wollte geistreich sein, wirkte aber eher arrogant, wie so oft, wenn er andere belehrte. Mit seiner Art stand er symbolisch für die Hybris einer Supermacht, die den Kalten Krieg gewonnen hatte und deren Politiker zur Überschätzung der eigenen Möglichkeiten neigten. Nun ist der ehemalige Verteidigungsminister der USA im Alter von 88 Jahren in seinem Haus in Taos in New Mexico gestorben. Todesursache war eine bösartige Erkrankung der Plasmazellen im Knochenmark.

Der Name Rumsfeld ist für immer mit dem Feldzug im Irak verbunden, zu dessen treibenden Kräften er im Bunde mit neokonservativen Ideologen gehörte. Es war Rumsfeld, der sich felsenfest überzeugt davon gab, dass Saddam Massenvernichtungswaffen hortete. Es war Rumsfeld, der in naiver Verkennung der Realität damit rechnete, dass man die eigenen Truppen schon bald nach der Invasion wieder nach Hause beordern könne, weil eine neue Regierung in Bagdad schnell Herrin der Lage sein würde. Und es war Rumsfeld, der es für richtig hielt, die irakische Armee aufzulösen – eine verhängnisvolle Fehlentscheidung, die nur dazu beitrug, die Guerilla sunnitischer Aufständischer zu stärken.

Über den Mann, der einst der Ringer-Mannschaft der Universität Princeton angehörte und am liebsten im Stehen an einem Pult arbeitete, hieß es damals, er sei der mächtigste Verteidigungsminister, den Amerika je hatte. Jedenfalls der mächtigste seit Robert McNamara. Doch während McNamara, einer der Architekten des Vietnamkrieges, im Nachhinein schwere Fehler eingestand, hat Rumsfeld Irrtümer nie zugegeben, geschweige denn, sich dafür entschuldigt.

Die Dossiers über irakische Massenvernichtungswaffen aufgebauscht, gar eine Lüge? Nicht doch, alle hätten daran geglaubt, der britische, französische und deutsche Geheimdienst genauso wie die CIA, schrieb er 2011 in seinen Memoiren. Warum die Lage schon bald nach Bushs triumphierendem „Mission Accomplished“ („Mission erfüllt“) außer Kontrolle geriet? Zu viele Hände hätten ins Lenkrad gegriffen, kritisierte er in dem Buch, ohne die tieferen Ursachen zu nennen. Paul Bremer, Washingtons Statthalter in Bagdad, habe sich nur profilieren wollen, indem er über eigene Kanäle, an ihm vorbei, mit dem Präsidenten kommunizierte. Den Nahen Osten von einem brutalen Regime zu erlösen habe die Welt stabiler und sicherer gemacht, beharrte er. Kritik, dass mit dem Waffengang Ressourcen aus Afghanistan abgezogen und Fortschritte am Hindukusch infrage gestellt wurden, ließ er gleichfalls nicht gelten. In der härtesten Phase des Irakkrieges, entgegnete er, habe Afghanistan einige seiner vielversprechendsten Schritte hin zu einer „freien, besseren Zukunft“ gemacht. Rumsfeld, der sture Besserwisser.

Geboren in Chicago, avanciert er nach dem Studium und einem kurzen Intermezzo als Pilot der Kriegsmarine zum politischen Senkrechtstarter. 1962, im Alter von 30 Jahren, delegieren ihn die Wähler erstmals ins amerikanische Repräsentantenhaus. Richard Nixon holt ihn als Berater ins Weiße Haus. Nixons Nachfolger Gerald Ford befördert ihn zum Stabschef der Regierungszentrale, wo er mit seinem Stellvertreter Dick Cheney, dem späteren Vizepräsidenten, eine Allianz schmiedet, von der beide jahrzehntelang profitieren. 1975 wird er Chef des Pentagon, seinerzeit der jüngste der Landesgeschichte. Als er die Leitung des Ressorts 2001 nach einem Vierteljahrhundert Pause erneut übernimmt, ist er der älteste.

Nachdem am 11. September ein von Entführern gekapertes Flugzeug in das berühmte Gebäude-Fünfeck am Potomac River gekracht war, zollen auch Kritiker Rumsfeld Respekt. Der Minister, berichten Augenzeugen, sei furchtlos in Richtung der rauchenden Trümmer gerannt, um bei der Bergung von Verletzten zu helfen. Im November 2006 – wegen des Fiaskos im Irak büßen die Republikaner ihre Mehrheit in beiden Parlamentskammern ein – nimmt er seinen Hut. Donald Rumsfeld, schrieb George W. Bush am Mittwoch in einer Würdigung, sei ein intelligenter und integrer Mann mit nahezu unerschöpflicher Energie gewesen. Zu keiner Zeit habe er sich vor harten Entscheidungen gedrückt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Eine Frage der Ehre
Streit über NS-Vergangenheit des Ex-Präsidenten der Saar-Ärztekammer Eine Frage der Ehre
Aus dem Ressort