Regionalwahlen in Frankreich Macron nach Wahlschlappe in Erklärungsnot

Paris · Die Abstimmung in den Regionen gilt als Stimmungstest für das Rennen um das Präsidentenamt. Ernüchternd ist wieder das geringe Interesse der Franzosen.

  Emmanuel Macron verlässt bei der Regionalwahl die Wahlkabine. Nach der Schlappe für seine Partei versucht er sich als Macher zu präsentieren.

Emmanuel Macron verlässt bei der Regionalwahl die Wahlkabine. Nach der Schlappe für seine Partei versucht er sich als Macher zu präsentieren.

Foto: dpa/Ludovic Marin

Keine Experimente! In Zeiten der Krise setzen die Franzosen auf die ihnen bekannten Gesichter. Bei den Regionalwahlen wurden alle Amtsinhaber, die sich zur Abstimmung stellten, in ihrer Funktion bestätigt. Auch scheinen die Wähler den konservativen Parteien eher zuzutrauen, die anstehenden Herausforderungen meistern zu können. Das hat zu einem leichten Rechtsruck im ganzen Land geführt. Nicht profitieren von dieser Stimmung konnten allerdings die extremen Kräfte. Entgegen vieler Prognosen gelang es dem rechtsextremen Rassemblement National (RN) nicht, eine der 18 Regionen für sich gewinnen.

Die Abstimmung gilt auch als Stimmungstest für die Präsidentenwahl in zehn Monaten, Favoriten sind dafür Staatschef Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen. Für die Chefin des Rassemblement National ist der Ausgang deshalb ein besonders herber Rückschlag. Aber auch Macron geht deutlich geschwächt in den anstehenden Wahlkampf. Seine Partei La République en Marche landete in allen Regionen weit abgeschlagen. „Diese Ergebnisse sind eine Enttäuschung für die Mehrheit des Präsidenten“, räumte der Parteivorsitzende Stanislas Guerini ein.

Das größte Problem des Abends ist allerdings erneut die katastrophale Wahlbeteiligung. Schon in der ersten Runde vor einer Woche haben Zweidrittel der Franzosen ihre Stimme nicht abgegeben. Auch im entscheidenden zweiten Durchgang war die Beteiligung nur unmerklich höher. In den vergangenen Tagen versuchten die Politiker ihre Landesleute eindringlich von der Wichtigkeit der Abstimmung zu überzeugen – offensichtlich vergeblich.

Besonders eklatant ist diese Entwicklung bei der Jugend. Die Wahlbeteiligung bei den 18- bis 24-Jährigen lag erneut bei nur rund 15 Prozent. Die Regierung hatte in den vergangenen Tagen noch eine groß angelegte Internetkampagne gestartet, um die jungen Franzosen zur Stimmabgabe zu motivieren. Die stieß bei der Zielgruppe allerdings vor allem auf Spott, denn in den Clips wird den Jugendlichen unterstellt, politisch nicht interessiert zu sein und deshalb den Sinn der Wahlen nicht zu erkennen.

Kritiker halten dem entgegen, dass die etablierten Politiker die tatsächliche Tragweite des Problems nicht erkannt hätten. Denn auch die junge Generation beweise, dass sie etwa in Sachen Klima bereit ist, sich für eine Sache einzusetzen. Allerdings haben sich die Formen des politischen Engagements radikal verändert. Über die sozialen Medien sind Demonstrationen und Petitionen relativ leicht zu organisieren oder Videos werden produziert und millionenfach geteilt. Eine Wahl ist keine Pflichtveranstaltung mehr, es gibt inzwischen viele Möglichkeiten, sich politisch auszudrücken.

Den Parteien fällt es schwer, auf diese kreative Haltung gegenüber der Politik und der Demokratie zu reagieren. Sie verharren noch immer in ihren alten Abläufen, Macht zu organisieren. Wie als Beweis dieser Aussage wirkte der Auftritt von zwei konservativen Politikern nach ihrer deutlichen Wiederwahl als Regionalpräsidenten. Für sie selbst war diese Abstimmung allenfalls eine Zwischenstation, womit sie den Sinn der Wahl deutlich entwerteten. Xavier Bertrand (Hauts-de-France) und Laurent Wauquiez (Auvergne-Rhône-Alpes), beides mögliche konservative Kandidaten für das Präsidentenamt, nutzen ihren Dank an die Wähler als unverhohlene Bewerbungsrede für höhere Aufgaben in Paris. Viele sahen in diesem Moment die Annahme bestätig, dass es Politikern nicht um den Wählerwillen, sondern allein um den eigenen Vorteil im Machtspiel der Parteien gehe.

Wahlsieger Xavier Bertrand sprach am Sonntagabend angesichts seines Ergebnisses von 52 Prozent sogar von einem „triumphalen Erfolg“ für sich und seine Partei. Angesichts der niederen Wahlbeteiligung wurde er effektiv allerdings nur von knapp über 16 Prozent der wahlberechtigten Franzosen in seiner Region gewählt. Ähnlich sieht es bei den Siegern in allen anderen Landesteilen aus. Die Frage nach der demokratischen Legitimation wurde am Tag nach der Abstimmung allerdings kaum einmal gestellt. Zentraler Punkt in den Analysen waren allerdings die Auswirkungen auf das Rennen für das Präsidentenamt. Sowohl Emmanuel Macron als auch Marine Le Pen versuchten als große Verlierer der Wahl deren Bedeutung herunterzuspielen. Die rechtspopulistische Chefin des Rassemblement National wird sich nun aber auf dem anstehenden Parteitag Anfang Juli einige unangenehme Fragen gefallen lassen müssen. Vor allem ihr Kurs, der Partei einen bürgerlichen Anstrich zu geben, um sie für breitere Schichten wählbar zu machen, scheint unerwartete Auswirkungen zu haben.

Auch Emmanuel Macron hat auf die Schlappe reagiert – auf die ihm eigene Weise. Am Tag nach der Wahl eilte er in die Region von Xavier Bertrand, dem konservativen Sieger der Regionalwahl und seinem möglichen Konkurrenten bei der Präsidentenwahl. Macron kündigte stolz eine milliardenschwere Investition der chinesischen Envision-Gruppe in eine Batteriefabrik an. Die Batterien sollen in Elektro-Autos von Renault eingebaut werden. So versucht sich der amtierende Staatschef als zupackender Macher zu präsentieren.

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