Nach der Europawahl Frankreichs Le Pen überhöht den knappen Sieg zum Triumph

Paris · Für die Chefin des rechtsradikalen Rassemblement National ist das gute Abschneiden bei der Europawahl die Rache für die Niederlagen der Vergangenheit.

 Rechtspopulistin Marine Le Pen verlangt nach ihrem knappen Vorsprung bei der Europawahl die Auflösung des französischen Parlaments.

Rechtspopulistin Marine Le Pen verlangt nach ihrem knappen Vorsprung bei der Europawahl die Auflösung des französischen Parlaments.

Foto: AP/Thibault Camus

Marine Le Pen geht am Tag nach der Wahl an keinem Mikrofon vorbei. Es werden ihr viele Fragen gestellt, doch die Antwort ist immer die gleiche. Der Sieg des Rassemblement National (RN) bei der Europawahl mit 23,31 Prozent der Stimmen sei ein großartiger Triumph, Präsident Emmanuel Macron habe das Vertrauen des Volkes verloren und sie fordere nun, dass er das Parlament auflöse. Die Chefin des RN wird nicht müde, ihren knappen Vorsprung von gerade einmal 0,9 Prozentpunkten gegenüber der Macron-Liste Renaissance zu einem überwältigenden Ereignis aufzubauschen. Sie prägt sogar den interessanten Begriff einer „neuen nationalistisch-globalistischen Spaltung“ in Frankreich. Sehr deutlich wird: Dieser Sieg ist für Le Pen weitaus mehr als nur ein politischer Erfolg. Es ist ein persönlicher Sieg, die Rache für die demütigende Niederlage gegen Macron vor zwei Jahren im Rennen um die Präsidentschaft.

Das Ergebnis geht allerdings auch am Staatschef nicht spurlos vorüber. Er aber meldet sich nicht selbst zu Wort, sondern schickt seine Gefolgsleute an die Mikrofone. Das Wahlergebnis verursache keine politische Krise, sagte Regierungssprecherin Sibeth Ndiaye am Montag. Premierminister Édouard Philippe habe „das volle Vertrauen des Präsidenten“. Der Regierungschef selbst gestand: „Wir haben die Botschaft erhalten.“ Wie lange er aber tatsächlich noch an der Spitze der Regierung steht, ist fraglich. Eine Kabinettsumbildung gilt als sehr wahrscheinlich, bei der womöglich auch Philippe ausgetauscht wird.

Wie tief der Stachel der Niederlage sitzt, zeigte sich während eines Auftritts von Daniel Cohn-Bendit im französischen Fernsehen TF1. Der gilt in Deutschland zwar als eine Art Vorzeige-Grüner, doch im aktuellen Wahlkampf unterstützte er die Partei La République en Marche (LREM) seines Freundes Emmanuel Macron. Während der Sendung geriet Cohn-Bendit mit dem rechtsextremen RN-Politiker Gilbert Collard aneinander. Beide beschimpften sich gegenseitig als „Idiot“, „scheußlicher Abfall“ und belegten sich mit einigen anderen, nicht zitierfähigen Ausdrücken. Das Gebrüll ging munter weiter, auch nachdem beiden Streithähnen das Mikrofon abgedreht worden war. Die Moderatoren waren sichtlich erleichtert, dass es nicht zu schweren Handgreiflichkeiten kam.

Die wirklich große Überraschung der Europawahl in Frankreich aber ist das Abschneiden der grünen Partei Europe Écologie. Sie zogen an Konservativen und Sozialisten vorbei auf Platz drei und erhielten 13,47 Prozent der abgegebenen Stimmen. Ihre Anhänger wittern nach dem guten Abschneiden nun die Chance, nicht nur auf dem Feld der Ökologie zu punkten, sondern präsentieren sich selbstbewusst als stärkste Partei auf der linken Seite des politischen Spektrums. Die Hoffnung ist offensichtlich: Alle einst so stolzen linken französischen Parteien sind bei der Europawahl dramatisch abgestürzt. Yannick Jado, Spitzenkandidat der Grünen, ruft die Versprengten nun auf, sich hinter ihm zu sammeln und zu neuer Größe zurückzufinden.

Diese Aufforderung bleibt vorerst aber ungehört, zu sehr sind die Sozialisten und Kommunisten im Moment damit beschäftigt, die eigenen Wunden zu lecken.

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