Facebook Vom Prügelknaben zum Daten-Sicherer

San Jose · Facebook-Chef Zuckerberg setzt auf mehr Privatsphäre für Nutzer. Nicht ungefährlich fürs Geschäft. Aber der Gigant ist optimistisch.

 Facebook-Chef Mark Zuckerberg will den Fokus auf mehr Datenschutz richten. Bislang gilt der Internet-Gigant eher als Daten-Krake – auch daher zeigt dieses Kunstwerk des Street-Art-Trios Mentalgassi den Facebook-Chef mit Überwachungskameras in den Augen. Zu sehen ist es bei der UrbanArt Biennale in der Völklinger Hütte.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg will den Fokus auf mehr Datenschutz richten. Bislang gilt der Internet-Gigant eher als Daten-Krake – auch daher zeigt dieses Kunstwerk des Street-Art-Trios Mentalgassi den Facebook-Chef mit Überwachungskameras in den Augen. Zu sehen ist es bei der UrbanArt Biennale in der Völklinger Hütte.

Foto: Ulrich Brenner / Völklinger Hütte/Ulrich Brenner

Wer hätte nach den Datenskandalen der vergangenen Jahre gedacht, dass man diesen Satz ausgerechnet von Facebook-Chef Mark Zuckerberg hören wird: „Privatsphäre gibt uns die Freiheit, wir selbst zu sein.“ Vom Prügelknaben der Datenschützer und Politiker will Facebook jetzt also zum Vorreiter in Sachen Datenschutz und Privatsphäre werden.

Wie ernst kann das gemeint sein von einem Unternehmen, dessen milliardenschweres Geschäftsmodell darauf basiert, so viel wie möglich über seine Nutzer zu wissen, und Werbekunden den Zugang zu den passenden Zielgruppen zu verkaufen? Berechtigte Zweifel, räumt selbst Zuckerberg ein. „Wir haben derzeit nicht den besten Ruf, was den Schutz der Privatsphäre angeht, um es freundlich zu formulieren“, sagt er bei der Vorstellung der neuen Strategie auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz F8. Der Satz klingt, als hätte er ein paar Lacher ernten sollen – doch das misslingt.

Die Dimension des Umbaus über alle Facebook-Apps hinweg zeugt jedenfalls davon, dass es um mehr als Kosmetik geht. Der Chatdienst Messenger wurde von Grund auf erneuert, nicht nur um ihn schneller zu machen, sondern auf Komplett-Verschlüsselung umzustellen. Zudem bekommt er einen Knopf, hinter dem die Kommunikation mit Familie und engen Freunden gebündelt wird. In der Haupt-App werden stärker Gruppen hervorgehoben, in denen sich Nutzer nach Interessen organisieren können. Sowas geht nur, wenn eine Armee aus Software-Entwicklern in Gang gesetzt wurde. Und ein Facebook-Manager nach dem anderen wiederholt Zuckerbergs neues Mantra: „Die Zukunft ist privat.“

Der neue Kurs wirft Fragen auf. Zum Beispiel: Wenn Inhalte mit der sogenannten Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geschützt sind, so dass nur Absender und Empfänger sie sehen können, wie soll Facebook dann Terror-Propaganda oder Hassreden finden und löschen? Stiehlt sich Facebook damit aus der Verantwortung – und wird die Politik das zulassen? Das Online-Netzwerk wolle ausgiebig unter anderem mit Sicherheitsbehörden über die richtige Vorgehensweise beraten, sagt Zuckerberg. In einem Interview der New York Times ergänzt er, dass Facebooks Software unerlaubte Aktivitäten zum Teil auch an Datenfluss-Mustern ohne Zugang zu Inhalten erkennen könne. Heißt: Es gibt noch viele andere Daten zu sammeln, auch wenn Inhalte verschlossen bleiben.

Noch eine Frage stellen sich Besucher der Konferenz: Was bedeutet der Neuanfang mit dem Fokus auf Privatsphäre für das Geschäftsmodell von Facebook? Werden die öffentlich geteilten Informationen noch ausreichen, um weiter zielgenaue Werbeanzeigen zu schalten? Wird sich Facebook neue Geschäftsideen suchen? Ein mögliches Zeichen dafür: Der Online-Flohmarkt Marketplace wird um eine eigene Bezahlfunktion ergänzt. Und auch bei Instagram und WhatsApp soll es mehr Möglichkeiten für kommerzielle Anwendungen geben.

Zuckerberg hat immer wieder Anpassungsfähigkeit gezeigt. Zum Börsengang 2012 schrieben einige Analysten Facebook schon ab, weil Nutzer gerade massenhaft von PCs auf Smartphones abwanderten, für die Facebook noch kein Geschäftsmodell hatte. Die Lösung fand der Gigant schnell – mit Anzeigen zwischen Newsfeed-Beiträgen. Wenn neue Dienste wie Instagram oder WhatsApp als potenzielle Rivalen in Erscheinung traten, kaufte Facebook sie einfach. Jetzt zeigen Facebook-Zahlen, dass Nutzer verstärkt Chatdienste und „Stories“ statt klassische Facebook-News wollen – und Zuckerberg steuert um. Der neue Kurs dürfte auch die Spannungen mit Apple verstärken. Denn schließlich beansprucht der iPhone-Konzern die Rolle des Datenschutz-Champions in der Tech-Industrie für sich. Rückenwind bekommt Facebook dadurch, dass die Mitglieder allen Skandalen und Pannen zum Trotz treu bleiben. Auch in Europa steigen die Nutzerzahlen nach einer Flaute wieder an.

Wie sicher sich Facebook fühlt, demonstriert auch eine neu vorgestellte Zusatz-Funktion zum neuen Dating-Dienst. Bei „Secret Crush“ (heimlicher Schwarm) kann man Facebook-Freunde markieren, die man attraktiv findet, ohne es ihnen sagen zu müssen. Erst wenn sie einen auch auf die Liste setzen, wird das beiden offenbart. Facebook geht also weiter davon aus, dass die Nutzer Informationen über sich preisgeben werden – auch sehr private.

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