E-Privacy EU-Staaten bremsen beim Schutz vor Mini-Spionen im Netz

Brüssel · Die EU-Kommission zielt mit der neuen E-privacy-Verordnung auf strengere Regeln für zielgenaue Werbung beim Surfen. Aber das Projekt liegt auf Eis.

Der Punkt für die erste Überraschung der neuen EU-Kommission geht an Margrethe Vestager. Kaum hatten Präsidentin Ursula von der Leyen und ihr Team die Arbeit aufgenommen, landete die alte und neue Wettbewerbskommissarin einen Coup: Der US-Internetkonzern Google bekam einen umfangreichen Fragenkatalog aus Brüssel. Die Holding soll Auskunft darüber geben, welche Daten wie von den Nutzern gewonnen und wofür diese benutzt werden. Es geht um eine wettbewerbsrechtliche Überprüfung, aber auch um Datenschutz – und war damit so etwas wie der Versuch, eine Panne aus Vorwoche vergessen zu machen. Denn die Kommission wollte eigentlich ihr großes Werk namens Datenschutz-Grundverordnung bis Ende dieses Jahres um ein weiteres Regelwerk erweitern: zur E-privacy. Während die DSGVO mehr Transparenz geschaffen hat, sollten im zweiten Anlauf private Daten besser geschützt werden. Das Europäische Parlament unterstützte die Linie der EU-Behörde, aber die Mitgliedstaaten bremsten das Vorhaben aus. Ende der Woche legten die Botschafter der 28 Regierungen die Verordnung erst mal auf Eis. Die zuständigen Minister tagten am Dienstag – ohne Ergebnis.

E-privacy soll die Privatsphäre der Nutzer schützen und zielte deshalb vor allem auf das sogenannte Tracking ab, also das Aufzeichnen von Daten, die ein Nutzer im Internet hinterlässt. Die meisten Surfer bekommen davon wenig mit, wundern sich aber, dass nach einem Besuch etwa von Amazon anschließend andere Seiten zielgenaue Werbung einblenden. Der Grund: Allzu nachlässig, so heißt es bei Verbraucherschützern, willigen die Internet-Nutzer ein, dass ihnen Anbieter sogenannte Cookies auf den Rechner aufspielen. Die protokollieren das Surfverhalten und übermitteln die Daten an den Absender – sie sind der Grundstoff für passgenaue Werbeanzeigen. Die EU wollte nun erreichen, dass die Information über diese Mini-Spione verbessert wird, damit sie nicht einfach weggeklickt werden. Außerdem sollten die Internet-Browser mit voreingestelltem Schutz der Privatsphäre ausgeliefert werden. Darüber hinaus sah der Vorschlag der Kommission vor, die strengen Datenschutz-Anforderungen für Telefon, SMS und Fax auch auf Messenger-Dienste auszuweiten und Webmail-Anbieter einzubeziehen. Doch das ging einigen Mitgliedstaaten zu weit. In Deutschland, das die Reform ebenfalls ablehnte, versuchten Großkonzerne wie Telekom und Vodafone vielmehr, den Datenschutz nicht für die Konkurrenten zu verschärfen, sondern für die eigenen Angebote zu lockern. Denn aus Mobilfunk- und Bewegungsdaten ließen sich ebenfalls neue, zielgenaue und lukrative Inhalte für die Nutzer generieren.

Zur Schlüsselfigur wird nun der neue EU-Kommissar für die digitale Agenda, der Franzose Thierry Breton. Wie sich der frühere Chef von France Telecom und bisherige Vorsitzende des IT-Konzerns Atos positionieren wird, ist noch nicht absehbar.

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