Ringen um Corona-Hilfen Der nächste Bildschirm-Gipfel der EU

Brüssel · Europa ringt in der Corona-Krise erneut um ein milliardenschweres Wiederaufbau-Programm. Euro-Bonds spielen dabei keine Rolle mehr.

 Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, beim G20-Gipfel zur Corona-Krise im März.

Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, beim G20-Gipfel zur Corona-Krise im März.

Foto: dpa/-

Dramatische Appelle hat es vor diesem vierten virtuellen EU-Gipfel genug gegeben. „Europa muss in diesem Moment beweisen, dass es in der Lage ist, eine Krise historischen Ausmaßes zu bewältigen“, forderte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Staatenlenker noch einmal auf. Gefragt war also ein überzeugendes Signal, das dann auch kam: Ab dem 1. Juni können die Regierungen auf das erste Hilfspaket über 540 Milliarden Euro zurückgreifen, das die Finanzminister zuvor geschnürt hatten. Es besteht überwiegend aus Krediten des ESM-Rettungsschirms und der Europäischen Investitionsbank sowie 100 Milliarden Euro für ein europäisches Kurzarbeitergeld, das die Europäische Kommission beisteuert.

Aber das konnte und sollte aber nicht alles sein. Christine Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, forderte die 27 Staats- und Regierungschefs in einem dramatischen Appell auf, rasch gegen den Wirtschaftseinbruch vorzugehen, den sie am Donnerstagabend auf im schlechtesten Fall 15 Prozent in der Eurozone bezifferte.

Nachdem in den Tagen vorher zuerst Frankreich und Spanien und am Dienstagabend auch Italien von den Forderungen nach Corona- oder Euro-Bonds abgerückt waren, entspannte sich die Lage. Giuseppe Conte, Chef der Regierung in Rom, hatte lediglich gefordert, dass jeder neue Plan „die Charakteristika beinhalten muss, die wir fordern“. Konkret: Italien will (inklusive Eigenanteil) 78 Milliarden Euro als Anschub für seine Wirtschaft haben. Außerdem meldeten auch Frankreich, Spanien, Griechenland und Portugal Forderungen an, während die Schweden, die Niederlande und Österreich zurückhaltend bleiben. Deutschland betonte lediglich, man erwarte einen Erfolg, der allen nütze.

Zwei Vorschläge lagen auf dem Tisch, beide muss die Kommission nun prüfen. Da ist zunächst der von Frankreich angeregte Wiederaufbau-Fonds, strikt befristet und finanziert aus gemeinsamen Anleihen, jedoch ohne gegenseitige Haftung. Die favorisierte Lösung kam jedoch aus dem Hause von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und stellt eine Kombination aus diversen Komponenten dar. Sie sprach am Abend von einem Auftrag des EU-Gipfels, „neue innovative Finanzinstrumente einzusetzen“. Ausgangspunkt des Von der Leyen-Modells ist der mehrjährige Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027, für den vor der Krise Zusagen über eine Billion Euro gab. Die Mitgliedstaaten sollen einen deutlich höheren als den bisher geplanten Beitrag für die Gemeinschaftskasse zusagen, aber nicht die ganze Summe bezahlen. Der Rest würde von der Kommission als Bürgschaft hinterlegt. Die Verwaltung könnte damit am Finanzmarkt etliche hundert Milliarden Euro wegen der Rücklage zu günstigen Zinsen aufnehmen und an die Mitgliedstaaten verteilen. Damit müsste kein Staat für die Schulden des anderen einstehen, was die EU-Verträge ohnehin nicht zulassen. Die Gemeinschaft wäre auch künftig, ganz nach dem Geschmack der Kanzlerin, ein Club mit beschränkter Haftung.

Nach der Video-Gipfel-Konferenz von Donnerstag wird man im Hause von der Leyen zu rechnen beginnen. Wie viel Geld wird überhaupt gebraucht? 500 Milliarden, eine Billion oder sogar 1,5 Billionen? Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte nach der Videokonferenz davor, sich schon jetzt auf eine konkrete Summe festzulegen: „Wir wissen ja noch gar nicht, wie sich der Tourismus entwickelt. Oder wie viele neue Autos gekauft werden.“ Von der Leyen muss trotzdem planen und Finanzinstrumente vorschlagen, die die Staats- und Regierungschefs bei ihrem nächsten Treffen dann beraten.

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