Austauschprogramm Europas Erasmus-Projekt wird erwachsen

Brüssel · Die Pandemie konnte den Siegeszug von Erasmus+ nicht stoppen. „Junge Menschen studieren mit dem EU-Programm momentan virtuell, ‚blended’ (virtuell und vor Ort) oder physisch vor Ort im Ausland“, bilanzierte Stephan Geifes, Direktor der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD), vor wenigen Tagen die Situation beim größten Austauschprogramm für Schüler, Studierende und Azubis der Welt.

Zum Start des Sommersemesters im Januar lag die Zahl der deutschen Teilnehmer mit 9000 um rund 75 Prozent höher als vor Corona. Es sollen noch mehr werden. Denn am Mittwoch macht das Europäische Parlament den Weg für den vielleicht größten Sprung in der fast 34-jährigen Geschichte dieses Projektes frei: Dann stehen in der aktuellen Finanzperiode der EU bis 2027 fast 13 Milliarden Euro mehr zur Verfügung – fast doppelt so viel wie in der 2020 ausgelaufenen Sieben-Jahres-Periode. Insgesamt dürfen 26,2 Milliarden Euro ausgegeben werden.

Die geförderten jungen Leute können ihre Unterstützung sogar selbstständig erhöhen, wenn sie beim Transport auf ihren ökologischen Fußabdruck achten und nur nachhaltige Verkehrsmittel nutzen. Und: Zum ersten Mal wird auch der Aufenthalt Erwachsener unterstützt, wenn sich diese in eine Bildungsmaßnahme eingeschrieben haben, um etwa ihre digitalen Fähigkeiten zu erhöhen. „Wir können Erasmus+ als europäische Erfolgsgeschichte fortsetzen“, sagte Sabine Verheyen, CDU-Politikerin und Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung im Europäischen Parlament, am Montag zu unserer Zeitung. „Es ist ein wichtiger Schritt zu mehr Investitionen in Bildung und Ausbildung.“

Das liegt zu einem großen Teil daran, dass die EU nun einen Schwerpunkt auf Inklusion sowie benachteiligte Jugendliche setzt. In der Vergangenheit waren Jugendliche mit Behinderungen oder auch aus sozial schwachen Familien unterrepräsentiert. Nun sollen sie gezielt gefördert werden, für eine mehrwöchige oder -monatige Lernzeit im Ausland. Verheyen: „Das ist unabhängig davon, ob die Benachteiligung auf eine Behinderung, Armut, geografische Abgelegenheit, Migrationshintergrund oder auf andere Gründe zurückzuführen ist.“ Außerdem werden drei bereits 2018 gestartete Projekte zur Förderung von Exzellenzzentren in der beruflichen Aus- und Weiterbildung, die Schaffung „Europäischer Universitäten“ sowie „DiscoverEU“ ausgebaut. Im Rahmen dieses Projektes verlost die EU alljährlich mehrere zehntausend Interrail-Tickets an 18-Jährige, die damit einen Monat lang durch die EU-Staaten reisen können.

Derzeit beteiligen sich 33 sogenannte Programmländer an Erasmus+. Neben den 27 EU-Staaten sind dies Island, Liechtenstein, Nordmazedonien, Norwegen, Serbien und die Türkei. Das Vereinigte Königreich nimmt nach dem Brexit nicht mehr als Programmland teil, wird aber weiter als Nicht-EU-Partner behandelt. Die entsprechenden Zusagen und Förderungen für Großbritannien laufen zumindest noch bis 2023. Da das Programm international weiter geöffnet werden soll, können aber auch Studierende in der aktuellen Finanzperiode auf die Insel gehen.

Mit der Entscheidung des Europäischen Parlamentes kann das neue Erasmus+ nun noch vor der Sommerpause beginnen. Der Name „Erasmus“ erinnert an Erasmus von Rotterdam (1466-1536), einen der großen Humanisten der Renaissance. Tatsächlich ist „Erasmus“ aber auch die Abkürzung für EurRopean Community Action Scheme for the Mobility of University Students, übersetzt: Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft zur Förderung der Mobilität von Hochschulstudenten.

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