Pelosi und der US-Präsident Eklat bei Trumps Rede zur Lage der Nation

Washington · Der US-Präsident verweigert der Demokratin Pelosi den Handschlag – die widerum zerreißt später sein Redemanuskript.

 Demonstrativ zeriss die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, das Redemanuskript von US-Präsident Donald Trump.

Demonstrativ zeriss die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, das Redemanuskript von US-Präsident Donald Trump.

Foto: AP/Patrick Semansky

Es waren zwei Schlüsselmomente, in denen klar wurde, wie vergiftet das Klima zurzeit in Washington ist. Bevor er die Lage der Nation bewertete, reichte Donald Trump seiner Widersacherin Nancy Pelosi, der Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses, eine wappengeschmückte Mappe mit seinem Redemanuskript. So schreibt es das Protokoll vor, und den Regeln nach hat danach oder davor, je nachdem, eigentlich ein Handschlag zu folgen. Trump aber ignorierte die ausgestreckte Hand der Demokratin. Er wandte sich brüsk ab, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen. Und am Ende rächte sich Pelosi für den Affront, indem sie sein Manuskript zerriss, als er noch am Pult stand und sie sicher sein konnte, dass die Kameras die Szene einfingen.

Das tat sie nicht etwa zornig oder impulsiv, sondern aufreizend langsam. Mit einer gewissen Sorgfalt, die ihn wohl erst recht ihre Verachtung spüren lassen sollte, bevor sie die Papierfragmente auf den Präsidiumstisch warf. Zwei grobe Verstöße gegen ein Mindestmaß an Höflichkeit: Hinterher debattierten beide Seiten praktisch über nichts anderes als über den Regelbruch. Sie habe die Seiten zerrissen, weil sie nicht ein Körnchen Wahrheit enthielten, rechtfertigte Pelosi ihre dramatische Geste. Dieses „Manifest der Unwahrheiten“, schrieb sie in einem Tweet, sollte eine Aufforderung zum Handeln sein – für jeden, der von einem Präsidenten die Wahrheit erwarte. Brad Parscale, Trumps Wahlkampfmanager, twitterte kräftig dagegen, im Herbst die Wiederwahl des Amtsinhabers prophezeiend. „Heute zerreißen Sie die Rede, Nancy. Im November werden Sie auch die Wahlergebnisse zerreißen wollen.“

„Four more years!“ – „vier weitere Jahre“, skandierten die Republikaner am Rande der Rede zur Lage der Nation, als wäre diese eine Kundgebung in Trump-Country und nicht der eine, eher versöhnlich angelegte Auftritt des Jahres, bei dem Regierungsprogramme umrissen und parteipolitische Kontroversen ausgespart werden sollen. Ein halbes Dutzend Demokraten verließen noch während der Rede den Saal. „Es war eine Schande, ich hätte nicht hingehen sollen“, meldete sich Chris Murphy, ein Senator aus dem Neuengland-Staat Connecticut, Stunden später zu Wort.

Amerikas glänzendes Comeback – so hatte die Regie des Weißen Hauses zuvor den Leitfaden beschrieben. Trump sprach denn auch vom Wirtschaftsboom, von Aktienkursen auf Rekordwerten, der niedrigsten Arbeitslosigkeit seit den Sechzigern. „In nur drei kurzen Jahren haben wir die Mentalität des amerikanischen Niedergangs zertrümmert“, rief er in den Saal. „Wir bewegen uns in einem Tempo vorwärts, das noch vor kurzem undenkbar war, und wir werden nie wieder umkehren.“ Die Blaupausen linker Rivalen wie Bernie Sanders oder Elizabeth Warren, die private Krankenversicherungen durch ein staatliches, steuerfinanziertes System ersetzen wollen, erklärte er zur „sozialistischen Übernahme“, die die amerikanische Gesundheitsfürsorge zerstören werde. Wer wie die Demokraten dafür sei, statt der eigenen Senioren lieber illegale Immigranten in den Genuss jener Gesundheitsfürsorge kommen zu lassen, polemisierte er, der möge sich mit der „radikalen Linken“ verbünden.

Auf eines hat Trump gleichwohl verzichtet: auf vorgezogene Triumphtöne in Sachen Impeachment. Zu jenem Prozess, der am Mittwoch nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe mit seinem Freispruch enden sollte. Republikanische Senatoren hatten ihn händeringend gebeten, das Thema zu meiden, solange seine Entlastung noch nicht offiziell war.

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