Grundsatz-Charta Eine kleine Revolution für den Islam in Frankreich

Paris · Hat die Corona-Pandemie auch ihre guten Seiten? Während sich aller Augen jeden Tag gebannt auf die Zahlen der Neuinfektionen richten, tut sich abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit durchaus Bedeutsames.

 Frankreichs Präsident Macron hatte nach Attentaten ein Bekenntnis der Muslime gefordert.

Frankreichs Präsident Macron hatte nach Attentaten ein Bekenntnis der Muslime gefordert.

Foto: dpa/Loic Venance

So hat sich etwa in Frankreich der muslimische Dachverband CFCM auf die Grundsätze eines französischen Islam verständigt. Das ist eine kleine Revolution, denn der „Conseil français du culte musulman“ schreibt in seiner Charta unter anderem die Gleichberechtigung von Männern und Frauen fest sowie die „Vereinbarkeit“ des Islam mit den Werten der französischen Republik. Zugleich erteilt der Verband der „Instrumentalisierung des Islam für politische Ziele“ und der „Einmischung von Staaten in die Ausübung des muslimischen Kultes in Frankreich“ eine Absage.

Der Weg zu dieser Einigung war lang, steinig und von allerlei Auseinandersetzungen begleitet. Deutlich wurde dabei wieder einmal, dass es den einen Islam nicht gibt, sondern viele Strömungen um Deutungshoheiten und damit auch viel Streit um Macht und Einfluss. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen um den Text der Charta warf der Rektor der großen Pariser Moschee, Chems-Eddine Hafiz, das Handtuch und beschuldigte einige seiner Glaubensbrüder im Rat, sich nicht vom radikalen Islamismus lossagen zu wollen. Am Ende des Prozesses stand dann aber doch eine Einigung – die erfolgte allerdings nicht ganz freiwillig.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte Mitte November die muslimischen Verbände dazu aufgefordert, sich offiziell im Kampf gegen Islamismus und Ghettobildung zur Republik zu bekennen. Der Rat sollte klar zwischen einem Islam im französischen Stil oder einem ursprünglichen Islam wählen. „Entweder bist du bei der Republik oder du bist nicht bei der Republik“, fasste Macron seine Forderung zusammen. Der Druck auf die Vertreter der Muslime hatte nach der Ermordung des Lehrers Samuel Paty in einem Pariser Vorort Mitte Oktober sowie dem kurz danach erfolgten Angriff in der Basilika von Nizza zugenommen.

Im Kampf gegen den Islamismus werden in Frankreich allerdings nicht nur die muslimischen Verbände in die Pflicht genommen. Ebenfalls in diesen Tagen fanden in der Nationalversammlung die ersten Beratungen über einen Gesetzentwurf „zur Stärkung der Prinzipien der Republik“ statt. Damit sollen muslimische Organisationen und vor allem die Moscheen in Zukunft besser überwacht werden können. Wenn ein Verein gegen „die Werte der Republik“ verstoße, müsse er Subventionen zurückbezahlen oder könne schneller aufgelöst werden, sieht das Gesetz vor. Mit einer sogenannten „Anti-Putsch“-Vorschrift will die Regierung zudem verhindern, dass Extremisten die Kontrolle über Moscheen in Frankreich erlangen. Zudem soll die Finanzierung von Moscheen aus dem Ausland, etwa durch die Türkei und Saudi-Arabien, stärker kontrolliert werden. Davon wäre voraussichtlich auch der türkische Dachverband Ditib betroffen, der wegen seiner Nähe zu Präsident Recep Tayyip Erdogan auch in Deutschland massiv Kritik auf sich zieht.

Den konservativen und extremen rechten Kräften in Frankreich gehen die Verschärfungen allerdings nicht weit genug. Es wurden bereits mehr als 1700 Änderungsanträge eingereicht. Sie wollen etwa auch Regelungen wie separate Schwimmbad-Zeiten für Frauen und Mädchen unterbinden lassen.

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