Agrarreform Eine Wende auf Europas Äckern

Brüssel · Nach langem Streit gibt es eine Einigung auf eine EU-Agrarreform: Sie sieht unter anderem strengere Öko-Auflagen vor. Aber die Kritik hält an.

 Mehr blühende Wiesen an Feldern sind nur ein Aspekt der geplanten EU-Agrarreform. Insgesamt soll die milliardenschwere gemeinsame Landwirtschaftspolitik der EU grüner werden. Subventionen an Bauern sollen stärker an Umweltauflagen geknüpft werden. Doch Kritikern geht das nicht weit genug.

Mehr blühende Wiesen an Feldern sind nur ein Aspekt der geplanten EU-Agrarreform. Insgesamt soll die milliardenschwere gemeinsame Landwirtschaftspolitik der EU grüner werden. Subventionen an Bauern sollen stärker an Umweltauflagen geknüpft werden. Doch Kritikern geht das nicht weit genug.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Kerrick

Es geht um 270 Milliarden Euro. So viel Geld stehen im Haushalt der Europäischen Union in den Jahren 2023 bis 2027 für die Landwirtschaft bereit. Es sind Subventionen, die letztlich dafür sorgen sollen, dass Lebensmittel nachhaltig, gesund und ökologisch produziert werden. Nach fast dreijährigem Streit haben sich die Unterhändler des Europäischen Parlamentes, der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten am Freitagnachmittag endlich auf eine Reform geeinigt. Der Streit geht dennoch weiter. Während der Vorsitzende des Agrarausschusses im EU-Parlament, Norbert Lins (CDU), von einer „neuen, ambitionierten und fairen Agrarreform“ sprach, bezeichnete Martin Häusling, Landwirtschaftsexperte der Grünen-Parlamentsfraktion, den Durchbruch als „miesen Deal“ und sagte: „Die Agrarwende bleibt aus.“

Herausgekommen ist ein typisch europäischer Kompromiss: Von den sogenannten Direktzahlungen an die Bauern sind künftig 25 Prozent an Öko-Auflagen geknüpft. Die Agrarminister hatten sich zunächst auf 20 Prozent geeinigt, die Abgeordneten forderten 30. Welche es nun sein sollen, steht im Detail noch nicht fest. Erste Berechnungen zeigen, dass ab 2023 damit 48 Milliarden Euro für Umweltmaßnahmen zur Verfügung stehen, ursprünglich waren nur 24 Milliarden eingeplant. Wirklich neu ist, dass zehn Prozent der Zahlungen, die bislang an große Agrarkonzerne gingen, nun an Klein- und Familienbetriebe umgeleitet werden. Die können somit auf mehr Unterstützung aus Brüsseler Fördertöpfen hoffen. Auch bleiben die Flächenprämien erhalten, die nur an wenige Bedingungen geknüpft sind. Allerdings müssen die Zuwendungen, bei denen es große Unterschiede zwischen den Saaten gibt, bis 2026 harmonisiert werden.

Ob diese Maßnahmen, bei denen es viele nationale Hintertüren und Sonderregelungen gibt, am Ende wirklich dem Anspruch genügen, die Landwirtschaft in den Green Deal einzubeziehen, muss sich erst noch zeigen. Vor allem vor dem Hintergrund einer fast schon vernichtenden Analyse, die der Europäische Rechnungshof jüngst veröffentlichte. Der war zu dem Ergebnis gekommen, dass der CO2-Ausstoß im Agrarsektor seit 2010 nicht mehr gesunken ist – obwohl die EU rund 100 Milliarden Euro für Klimaschutz im Landwirtschaftsbereich investiert hatte.

Der Beitrag der Bauern zum Green Deal besteht aber nicht nur in der Reduzierung der Emissionen. Sie sollen auch die Artenvielfalt sichern, indem Schädlingsbekämpfungsmittel weniger oder gar nicht mehr benutzt und Monokulturen vermieden werden. Ob das mit dieser Agrarreform möglich ist, bezweifeln die Kritiker: „Arten verschwinden weiter von den Äckern und Feldern, und Pestizide, Antibiotika und synthetische Düngemittel belasten die Gewässer“, kommentierte der Grünen-Vertreter Häusling den Kompromiss und fügte hinzu: „Die Einigung ist ein grün verpacktes Geschenk an die Agrarindustrie.“ Seine Partei werde bei der Abschlussabstimmung im EU-Parlament nicht zustimmen. Auch die agrarpolitische Sprecherin der SPD, Maria Noichl, meinte: „Die europäische Agrarpolitik kann mehr.“ Sie lobte allerdings, dass in dem jetzt vereinbarten Paket eine wichtige Sozialregelung enthalten ist: Demnach können die Brüsseler Zahlungen gekürzt werden, wenn Arbeitnehmer (zum Beispiel Erntehelfer) auf den Höfen ausgebeutet werden.

Auswirkungen auf die in vielen Bereichen deutlich zu niedrigen Erzeugerpreise erwarten Experten übrigens nicht. Dies sollen EU-Kommission und Mitgliedstaaten mithilfe anderer Instrumente regeln. Was der Kompromiss wert ist, wird sich bereits am Montag zeigen. Dann kommen die Agrarminister zusammen. Sie müssen dem Paket zustimmen.

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