Angriffe auf Ölraffinerien Mit der Drohne ins Schwarze getroffen

Riad · Saudi-Arabien im Ausnahmezustand: Die wichtigsten Ölraffinerien der Welt standen am Wochenende in Flammen. Zu der Attacke bekannten sich jemenitische Rebellen. Doch die USA sehen die Schuld woanders.

  Vergeltungsakt jemenitischer Rebellen? Ein Satellitenbild zeigt, wie nach dem Drohnenangriff schwarze Rauchschwaden über den saudischen Öl-Anlagen aufsteigen.

Vergeltungsakt jemenitischer Rebellen? Ein Satellitenbild zeigt, wie nach dem Drohnenangriff schwarze Rauchschwaden über den saudischen Öl-Anlagen aufsteigen.

Foto: dpa/Uncredited

Auf Videos in sozialen Netzwerken sind große Feuer über den Komplexen zu sehen, die den Nachthimmel erleuchten. Satellitenbilder von Nasa und Esa zeigen im Laufe des Samstags mehrere riesige schwarze Rauchfahnen, die sich bis zu 150 Kilometer weit über Saudi-Arabien erstreckten. Das, was auf diesen Bildern zu sehen ist, könnte weltweite Folgen haben: Es sind Drohnenangriffe auf die größte Ölraffinerie in Saudi-Arabien. Die Ölproduktion im Königreich ist schwer getroffen. Die Produktionsmenge sei infolge der „terroristischen Attacken“ um 5,7 Millionen Barrel auf etwa die Hälfte des üblichen Volumens pro Tag eingebrochen, berichtete die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA in der Nacht zum Sonntag. Obwohl sich die Huthi-Rebellen im benachbarten Jemen zu den Angriffen bekannten, machten die USA den Iran dafür verantwortlich. Teheran bestritt jegliche Beteiligung. Der Komplex wird zu den weltweit wichtigsten Ölanlagen gezählt.

Nach offiziellen Angaben erschütterten am frühen Samstagmorgen gegen 3.31 Uhr und 3.42 Uhr (Ortszeit) mehrere Explosionen Anlagen des staatlichen Ölkonzerns Saudi Aramco in Churais und Abkaik.

Die Brände seien unter Kontrolle, teilte Saudi-Arabiens Energieminister Prinz Abdulasis bin Salman bin Abdulasis kurz darauf mit. Durch die Angriffe sei die Produktion in Abkaik und Churais aber zeitweise ausgesetzt. Auch die Produktion von Flüssiggas sei betroffen. Der Produktionsausfall könne aber durch Lagerbestände ausgeglichen werden.

Experten sehen in der Drohnenattacke einen Angriff auf das Zentrum der saudischen Ölindustrie. „Selbst wenn die Feuer schnell gelöscht sind und der Schaden in Abkaik nur gering ist, sind die Tore der Hölle ein bisschen weiter geöffnet“, schrieb der US-amerikanische Analyst Robert McNally auf Twitter, der früher Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats war. Die in Washington ansässige Energieberatungsfirma „Rapidan Energy“ bezeichnete die Raffinerie in Abkaik als die wichtigste Öleinrichtung der Welt.

Nach Angaben von Saudi Aramco ist der Komplex die größte Raffinerie des Landes und die größte Rohölstabilisierungsanlage der Welt. Abkaik spiele eine entscheidende Rolle in der täglichen Produktion des Unternehmens. Von hier werde verarbeitetes Öl weiter an die Ost- und Westküste des Landes sowie nach Bahrain geleitet.

Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris sieht zunächst keine Versorgungsprobleme. „Wir stehen in Kontakt mit den saudischen Behörden sowie mit den wichtigsten Produzenten- und Verbrauchernationen.“ Man verfolge die Situation in Saudi-Arabien aufmerksam, hieß es weiter.

Ein Militärsprecher der Huthis, die sich zu dem Angriff bekannten, bezeichnete den Angriff mit zehn Drohnen am Samstag als „legitime Antwort“ auf die anhaltende Militärkampagne Saudi-Arabiens im Jemen. „Wir versprechen dem saudischen Regime, dass unsere nächste Operation größer und schmerzhafter sein wird“, sagte Militärsprecher Jahia Saria. Es handele sich um den bislang größten Einsatz in Saudi-Arabien.

Das arabische Königreich führt im Jemen eine von den USA unterstützte Militärkoalition an, die gegen die Huthis kämpft. Diese werden wiederum vom Iran unterstützt und halten große Teile des Nordjemens inklusive der Hauptstadt Sanaa unter Kontrolle. US-Außenminister Mike Pompeo machte den Iran direkt für den Angriff verantwortlich. „Inmitten der Rufe nach Deeskalation hat der Iran jetzt einen beispiellosen Angriff auf die Welt-Energieversorgung verübt. „Es gibt keinen Beweis, dass die Angriffe vom Jemen kamen“, schrieb Pompeo auf Twitter. Pompeo forderte alle Nationen auf, die iranischen Angriffe „öffentlich und eindeutig“ zu verurteilen. Die USA würden sicherstellen, dass der Iran für seine Aggression zur Rechenschaft gezogen werde.

Der Iran wies die Vorwürfe vehement zurück. Pompeos Unterstellungen seien absurd, unerklärlich und daher auch halt- und wirkungslos, sagte Außenamtssprecher Abbas Mussawi am Sonntag in Teheran. Was im Jemen passiere, sei der Widerstand der Jemeniten gegen die Kriegsverbrechen der von den Saudis angeführten Militärkoalition, sagte der Sprecher nach Angaben der Nachrichtenagentur Isna. „Weil die US-Politik des maximalen Drucks auf den Iran gescheitert ist, sind die Amerikaner nun auf die der maximalen Lügen umgestiegen.“

Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini nannte den Angriff eine „reale Bedrohung der regionalen Sicherheit“. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin betonte, ein Angriff auf die „zivile und kritische Infrastruktur Saudi-Arabiens“ sei „durch nichts zu rechtfertigen“ und verschärfe die Spannungen in der Region noch. Der UN-Sondergesandte für den Jemen, Martin Griffiths, warnte vor einer Eskalation auf der arabischen Halbinsel. Solche Zwischenfälle würden den von den Vereinten Nationen geleiteten politischen Prozess im Jemen gefährden. Die UN bezeichnen den Krieg im Jemen als die derzeit größte humanitäre Katastrophe der Welt.

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