Meiste Infizierte Die Weltmacht USA im Kriegszustand gegen Corona

New York · Das Gesicht des New Yorker Krankenpflegers Kious Kelly kennen mittlerweile Millionen US-Bürger. Der 48-jährige Angestellte des renommierten Mount-Sinai-Hospitals war das erste Todesopfer des Coronavirus innerhalb der medizinischen Branche, die im „Big Apple“ mit wachsender Verzweiflung die Flut täglich neuer Patienten betreut.

  Erst belächelte er die Gefahr, jetzt gibt US-Präsident Trump den Oberbefehlshaber im Anti-Virus-Kampf.

Erst belächelte er die Gefahr, jetzt gibt US-Präsident Trump den Oberbefehlshaber im Anti-Virus-Kampf.

Foto: AP/Patrick Semansky

Vergleicht man den Kampf gegen das Virus wie US-Präsident Donald Trump mit einem „Krieg gegen einen schrecklichen, unsichtbaren Feind“, ließ Kelly sein Leben im „Epizentrum“ der Nation an vorderster Front. Während es am Nötigsten mangelt – wie Masken.

Immer mehr Parallelen drängen sich zur Lage der Weltmacht im Zweiten Weltkrieg auf. Nachdem die Japaner die US-Pazifikflotte in Pearl Harbor bombardiert hatten, war einem japanischen Admiral nicht nach Triumph zumute. Man habe nur einen „schlafenden Giganten geweckt“, sagte er. Der „schlafende Gigant“ ist heute aus Sicht der USA das Coronavirus. Über 143 000 Infizierte, so viele wie in keinem anderen Land, mehr als 2500 Tote – so die Schreckens-Bilanz bis Montag. In Chicago starb erstmals auch ein Baby am Virus. Eine der düstersten Prognosen von Gesundheits-Instituten geht mittlerweile sogar von 2,2 Millionen Todesopfern in den kommenden Monaten aus.

Präsident Trump, der zunächst die Bedrohung belächelt hatte, schlüpft derweil in die Rolle jenes Oberbefehlshabers, die Teddy Roosevelt im Zweiten Weltkrieg ausübte. Am Samstag begab sich Trump im Ostküstenhafen Norfolk an Bord des Militär-Lazarettschiffs „Comfort“, das vor New York Anker werfen sollte. Am Vortag hatte Trump nach längerem Drängen zahlreicher Bundesstaaten Notstandsgesetze ausgerufen, die normalerweise für einen Kriegszustand vorgesehen sind. Das ging mit der Anweisung an den Automobilkonzern General Motors einher, statt Fahrzeugen Beatmungsgeräte herzustellen.

Nach einem dramatischen Wochenende erklärte Trump dann, die Regeln zur „sozialen Distanzierung“ blieben bis 30. April statt nur bis Ostern in Kraft. Auch seine Prognose plötzlich düster. Wenn es gelinge, die Todeszahl durch Corona in den USA auf 100 000 zu begrenzen, „haben wir alle zusammen einen guten Job gemacht“. Er fügte hinzu: „Das ist eine furchtbare Zahl.“

Wie es der Zweite Weltkrieg oder die Terroranschläge von 9/11 taten, so beeinflusst die Coronavirus-Krise bereits das Alltagsleben und die Psyche der US-Bürger. Stimmen die Prognosen der Experten, so dürfte bald fast jeder US-Amerikaner einen Menschen kennen, der infiziert wurde. Es gibt Hamsterkäufe und Massen-Entlassungen und Geisterstädte. Gleichzeitig wurde, wie zuletzt am 11. September 2001, die Vorstellung ad absurdum geführt, dass die USA unverwundbar sind. Denn trotz monatelanger Warnungen versagte das Land in der rechtzeitigen Mobilisierung, etwa bei Tests.

Nun will das Weiße Haus, mit dem Rücken zur Wand, zehntausende Pflegekräfte und Mediziner aus dem Ruhestand heraus an die Front verpflichten. Da, wo auch der Pfleger Kious Kelly seinen Dienst tat. Sein Tod hätte verhindert werden können, klagt seine Schwester inzwischen die US-Regierung an. Und der Krieg dauert an.

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