Reaktionen auf Brexit-Abstimmung Die EU will hart bleiben

Brüssel/London · Nach dem Scheitern des britischen Austrittsabkommens schaltet die EU auf stur. Bereits am späten Dienstagabend lehnten führende EU-Vertreter Nachverhandlungen des Brexit-Deals ab. In Brüssel wird gerätselt, wie es nun weitergehen soll.

Anti-Brexit-Demonstranten reagieren, nachdem die Ergebnisse der Abstimmung über die Brexit-Vereinbarung von Premierministerin Theresa May bekannt werden.

Anti-Brexit-Demonstranten reagieren, nachdem die Ergebnisse der Abstimmung über die Brexit-Vereinbarung von Premierministerin Theresa May bekannt werden.

Foto: dpa/Frank Augstein

Donald Tusk brachte die ganze Ratlosigkeit der EU auf den Punkt: „Wenn ein Deal unmöglich ist und niemand einen No-Deal will, wer wird den Mut haben zu sagen, wie die derzeit einzige positive Lösung aussieht“, schrieb der EU-Ratspräsident auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Die Gefahr eines harten und ungeordneten Bruchs zwischen Großbritannien und der Gemeinschaft sei nun noch weiter gewachsen, ergänzte Tusk: „Wir wollen nicht, dass das passiert, aber wir werden darauf vorbereitet sein.“ Tatsächlich sind die Chancen für weitere Gespräche mit London über einen neuen Vertrag offenbar ausgeschlossen.

„Es wird keine Nachverhandlungen zum Austrittsabkommen geben“, erklärte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz am Abend. „Der Ball liegt nun nach der Abstimmung im britischen Unterhaus in London.“ Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker meinte in einer ersten Reaktion: „Ich rufe das Vereinigte Königreich dringend auf, uns seine Vorstellungen über das weitere Vorgehen so rasch wie möglich mitzuteilen. Die Zeit ist fast abgelaufen.“ Zuvor hatte auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) betont, er sei skeptisch, „dass das Abkommen grundsätzlich noch einmal aufgeschnürt werden kann.“

Hinter allen diesen Sätzen steckt nicht weniger als eine exzessive Verwirrung der übrigen 27 Mitgliedstaaten, die nicht einmal genau wissen, was am ausgehandelten Deal nun wirklich so gravierend gewesen sein sollte, dass die Gegner der britischen Premierministerin Theresa May die Oberhand behielten. Hinzu kommt auch Kopfschütteln über das politische Chaos auf der Insel. Angesichts eines Misstrauensvotums am Mittwoch hält man sich in Brüssel zurück. Schließlich kann noch niemand sagen, ob May den Versuch, sie aus dem Amt zu heben, überlebt oder nicht – und wer dann als neuer Ansprechpartner in Frage kommt. Mehr oder minder unverhohlen werben Diplomaten der EU inzwischen für eine Verschiebung des Austritts der Briten aus der Union. Der 29. März 2019 könne auf Antrag Mays durchaus zum Beispiel auf den Juli verschoben werden, hieß es am Dienstagabend in Brüssel. Bisher lehnte die Premierministerin selbst dieses Ansinnen ab.

In der Nacht wird die Brexit-Lenkungsgruppe der EU-Kommission zusammenkommen. Am Mittwochvormittag werden der Präsident der Behörde, Jean-Claude Juncker, sowie Ratspräsident Donald Tusk Rücksprache mit den 27 Staats- und Regierungschefs halten, um eine gemeinsame Position zu finden. Ebenfalls am Mittwoch debattiert das Europäische Parlament über die verfahrene Situation. „Wer der EU zu viel Härte in den Verhandlungen vorwirft, muss auch präzise sagen, was am Abkommen nicht fair sein soll“, brachte es der Grünen-Finanzexperte und Europa-Politiker Sven Giegold auf den Punkt.

Das Signal des Abends war unmissverständlich: Die EU will Großbritannien nicht entgegenkommen, weil man auch nicht genau weiß, in welchen Punkten dies sinnvoll sein könnte, um eine Mehrheit der britischen Parlamentarier zu überzeugen. Nun wartet man gespannt auf den Plan B, den May für den nächsten Montag angekündigt hat – vorausgesetzt, sie ist dann noch im Amt. Und man hofft auf Klarheit über die britischen Positionen und Erwartungen – eine konkrete Ansage des Vereinigten Königreiches wäre schon eine Sensation. Denn darauf drängt die EU seit zwei Jahren – bisher vergeblich.

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