Kritik aus Deutschland Deutliche Botschaften nach Moskau im Fall Nawalny
BERLIN · Die deutsch-russischen Beziehungen sind so angespannt wie lange nicht. Die jüngste Verhaftung und Verurteilung des Oppositionellen belastet zusätzlich.
Heiko Maas (SPD) ist an diesem Morgen auf dem Weg zu einem schwierigen Partner. Doch bevor er den Regierungsflieger besteigt, der ihn in die Türkei bringen soll (siehe auch Seite A 5), muss der deutsche Außenminister noch etwas zu einem anderen mindestens ebenso schwierigen Verhandlungspartner auf der strategischen Landkarte loswerden: Russland. Tags zuvor hatte die russische Justiz den von Berlin nach Moskau zurückgekehrten Oppositionspolitiker Alexej Nawalny kurz nach seiner Ankunft auf dem Flughafen Scheremetjewo festgenommen, weil er angeblich gegen Auflagen einer fünfjährigen Bewährungsstrafe verstoßen haben soll. Dafür wird er am Montag schließlich zu 30 Tagen Haft verurteilt. Maas betont, Nawalny sei nach seiner Genesung in Berlin von den Folgen eines Giftanschlages, der in Sibiren auf ihn verübt worden war, „aus eigenen Stücken und bewusst zurückgekehrt nach Russland, weil er dort seine persönliche und politische Heimat sieht“. Seine Verhaftung am Flughafen sei „völlig unverständlich“. Russland sei durch seine eigene Verfassung wie auch durch internationale Verpflichtungen an das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und an den Schutz der Bürgerrechte gebunden. Maas fordert, Nawalny müsse „unverzüglich freigelassen“ werden.
Auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) schickt eine eindeutige Botschaft nach Moskau. „Mit der Verhaftung Nawalnys vertauscht die russische Führung zynisch Täter und Opfer.“ Auch die Ministerin fordert die sofortige Freilassung Nawalnys.
Für den Russland-Beauftragten der Bundesregierung, Johann Saathoff (CDU), ist dies „nicht nur eine bilaterale Angelegenheit“. Weil es um Menschenrechte und um einen der führenden Oppositionspolitiker in Russland gehe, sei es „auch eine Angelegenheit der Staatengemeinschaft“.
Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour ist für einen harten Kurs gegenüber Moskau. Nach der Verhaftung von Nawalny erteilt er Überlegungen für ein Ende der EU-Sanktionen gegen Russland eine Absage. „Die panische Reaktion des Kremls auf die schiere Anwesenheit Nawalnys in Moskau zeigt, wie absurd die Debatte über die Beendigung der Sanktionen sind“, so Nouripour. Er fordert zudem klare Worte aus Berlin. „Die Bundesregierung muss klar machen, dass gerade nach dem Mordanschlag und der Verhaftung nun der Kreml die gesamte Verantwortung für Nawalnys Sicherheit trägt. Er muss sofort freigelassen werden.“
Die deutsch-russischen Beziehungen sind wegen Nawalny so angespannt wie lange nicht mehr. Zuletzt telefonierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über die Frage, ob und wie beide Länder bei der Impfstoffproduktion gegen die Corona-Pandemie zusammenarbeiten könnten. Doch der jüngste Umgang des Kremls mit Nawalny dürfte das Verhältnis weiter belasten. Der Oppositionspolitiker selbst bezeichnete das Vorgehen in Moskau gegen ihn als „Gipfel der Rechtlosigkeit“.