Nach der FPÖ-Affäre Die Rechten, Russland und eine riskante Nähe

Moskau · Wie heiß ist der Draht zwischen Moskau und Europas Populisten um AfD, Lega & Co.? Der FPÖ-Skandal in Österreich wirft Fragen auf. Alte und neue.

  Im Kreml, Russlands Machtzentrale, bestreitet man eine Parteinahme für Europas Rechtspopulisten. Doch viele enge Kontakte sind belegt.

Im Kreml, Russlands Machtzentrale, bestreitet man eine Parteinahme für Europas Rechtspopulisten. Doch viele enge Kontakte sind belegt.

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(dpa) Der Aufschrei in Moskau über den Video-Skandal der rechten FPÖ in Wien lässt nicht lange auf sich warten. Als handfeste Provokation bezeichnet der prominente Außenpolitiker Konstantin Kossatschow das kompromittierende Material gegen Österreichs nun zurückgetretenen Vizekanzler Hans-Christian Strache mit einer angeblichen russischen Spur. Der Moskauer Senator sieht die „Attacke“ als Doppelschlag kurz vor der Europawahl: einmal gegen die rechten Parteien in der EU – und als Teil einer internationalen Kampagne gegen Russland.

Die russische Politik steht seit längerem im Ruf, auch mit der AfD, mit der Lega des italienischen Vize-Premiers Matteo Salvini, der französischen Nationalistin Marine Le Pen und dem niederländischen Islamgegner Geert Wilders eng zusammenzuarbeiten. Und es ist auch diese Nähe zu Russland, die jetzt der FPÖ in Wien zum Verhängnis geworden sein könnte.

Zwar betont der im Zuge des Skandals genannte russische Oli­garch, er habe mit der Sache nichts zu tun. Auch der Kreml weist jedweden Verdacht einer Verwicklung zurück. Es ist weiter unklar, wer den damaligen FPÖ-Chef vor der Österreich-Wahl 2017 auf Ibiza in die Falle lockte. Aus russischer Sicht spricht einiges für eine Aktion eines westlichen Geheimdienstes, um Österreichs zunehmend enge Russland-Kontakte zu torpedieren. Strache und der auch in Russland ausgebildete zwischenzeitliche FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus besprechen in dem Video mit der mutmaßlichen Nichte des Oligarchen Wahlkampfhilfe mit russischem Schwarzgeld. Im Tausch sollte es später Staatsaufträge geben.

Das Video solle offenbar den etablierten „liberalen Parteien“ vor der Europawahl helfen, die vor einem Rekordergebnis stehenden europäischen Rechten zu schwächen, meint Kossatschow in Moskau. Den Liberalen komme inzwischen jedes Mittel gelegen, die Rechten in der EU zu verunglimpfen, sagt er.

Zwar betont die offizielle russische Politik immer wieder, sie mische sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein und unterstütze auch bei der EU-Wahl kein bestimmtes Lager. „Russland unterhält Kontakte mit allen politischen Kräften und ihren Vertretern, die daran Interesse zeigen. Unter ihnen gibt es Euroskeptiker und Proeuropäer. Es gibt Linke, Rechte und Zentristen“, sagte der russische Botschafter bei der EU, Wladimir Tschischow, unlängst der Agentur Tass.

Aber Belege für Russland-Kontakte der Rechtspopulisten gibt es unzählige: Die russischen Staatsmedien etwa feiern die Besuche von AfD-Politikern auf der von der Ukraine annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim als Zeichen einer Uneinigkeit in Europa. Die Auftritte moskaufreundlicher Rechtspopulisten aus der EU sollen russischen Zuschauern zeigen, dass das Land auch im Westen Verbündete hat. Salvinis Lega und die FPÖ haben schon vor Jahren eine Zusammenarbeit mit der Regierungspartei Geeintes Russland vereinbart. Die Parteien fordern wie die AfD zur Freude Moskaus immer wieder, dass etwa die wegen des Ukraine-Konflikts verhängten Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden müssten.

Als unlängst bekannt wurde, dass die Tochter des Kreml-Sprechers Dmitri Peskow ein Praktikum bei einem rechten Parlamentarier im EU-Parlament absolvierte, hieß es in Kommentaren, dass der Kreml nun auch dort einen direkten Draht habe. Der russische Präsident Wladimir Putin empfing 2017 im französischen Präsidentenwahlkampf auch Le Pen als Kandidatin. Ein russischer Kredit von neun Millionen Euro ist bisher aber die einzige bekannte Spur direkter Geldflüsse.

Im Fall Strache blieb allem Anschein nach alles auf Gesprächsebene. Trotzdem steht das Video auch beispielhaft für Vorwürfe europäischer Geheimdienste, dass Russland alles versuche, die Nationalisten zu stärken oder sie sogar an die Macht zu bringen und die EU zu destabilisieren. „Russlands Ziel ist es, weiterhin die Einheit der EU zu untergraben, indem Unordnung und Unglaube in und zwischen den EU-Staaten gesät werden“, heißt es im Jahresbericht des estnischen Auslandsgeheimdienstes. Dauerärgernis für die EU sind dabei auch russische Trolle, die gezielte Falschinformationen im Netz verbreiten. Darauf hat Brüssel mit der Internetplattform euvsdisinfo.eu geantwortet, die Desinformation aufdecken will.

Russland mischt sich nach Informationen europäischer Geheimdienste bislang aber weniger stark als befürchtet in den Europawahlkampf ein. Es gebe zwar Bemühungen, über soziale Netzwerke oder Medien russlandfreundliche oder EU-kritische Parteien zu unterstützen, heißt es nach internen Informationen in Lageberichten. Das russische Vorgehen sei bislang aber weniger sichtbar als vor der US-Präsidentenwahl 2016 oder der Wahl in Frankreich im Mai 2017.

Die riskante Nähe zu den Rechten in Europa ist indes selbst in kremlnahen Kreisen nicht unumstritten. Die Politologin Veronika Krascheninnikowa, Mitglied der Regierungspartei, warnte im Magazin „Expert“ im vergangenen Jahr davor, dass diese Kräfte eine Ideologie des Hasses gegen Migranten und Muslime pflegten. Zwar habe Russland die Kontakte, um zu zeigen, dass es nicht isoliert sei. Dass diese Kräfte nun an die Macht kämen, sei aber Grund zur Besorgnis. Russland müssen dem entgegentreten.

Für einen Vielvölkerstaat wie Russland sei ultrarechter Nationalismus der „direkte Weg zum Zerfall“. Krascheninnikowa mahnte auch mit Blick auf den jedes Jahr groß gefeierten Sieg über den Faschismus im Zweiten Weltkrieg: „Ein solches Land kann keine Allianzen mit den modernen Erben eines zerstörten Reiches und mit Propagandisten des Hasses schmieden.“

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