Neuer Premierminister Johnson hat es seinen Kritikern gezeigt – vorerst

London · Gestern ernannte die Queen den Brexit-Hardliner zum britischen Premierminister. In seinem neuen Amt muss er schon sehr bald liefern.

 Audienz im Buckingham-Palast: Queen Elizabeth II. hat Boris Johnson zum Regierungschef ernannt.

Audienz im Buckingham-Palast: Queen Elizabeth II. hat Boris Johnson zum Regierungschef ernannt.

Foto: dpa/Victoria Jones

Es ist diese eine Warnung, die Boris Johnson offenbar so sehr gefallen hat, dass er sie gleich zweimal in die Rede seines Lebens einbaute. All jene, die gegen Großbritannien wetteten, würden ihr letztes Hemd verlieren, sagte er. Einmal, zweimal. All jene, das sind die „Zweifler“, die „Pessimisten“, die „Schwarzmaler“, wie er sie nannte – er spielte auf seine Kritiker an, die nicht nur auf der Insel in großer Zahl zu finden sind. Doch nun hat der ehrgeizige Konservative es ihnen vorerst gezeigt: Boris Johnson wurde gestern von Königin Elizabeth II. zum neuen Premierminister des Vereinigten Königreichs ernannt.

Wie als Vorbote aber für die Schwierigkeiten, die auf den umstrittenen Brexit-Hardliner zukommen dürften, könnten sich die lauten Buhrufe erweisen, die seine Ansprache an die Nation begleiteten. Sie stammten von den Protestlern, die sich schon den ganzen Tag vor dem Gitter zur Downing Street versammelt hatten. Und auch schon Johnson Vorgängerin Theresa May bei ihrer kurzen Abschiedsrede als Regierungschefin an derselben Stelle vor der berühmten schwarzen Tür mit der Nummer zehn stören sollten.

Als „große Ehre“ hatte sie am Nachmittag bezeichnet, dem Volk  gedient zu haben. Sie habe versucht, einen für das gesamte Vereinigte Königreich funktionierenden Brexit zu erreichen. Als May zum Schluss kommen wollte, wurde sie von einem lauten „Stop Brexit“ unterbrochen. Die Stimme eines proeuropäischen Aktivisten hallte Richtung May. Die Antwort fiel kurz und emotionslos aus: „Ich denke nicht.“ Es war ein historischer Tag, wieder einmal. Im Buckingham-Palast reichte May bei Königin Elizabeth II. formal ihr Rücktrittsgesuch ein. Was Ihre Majestät über die vergangenen Monate denkt, die von Abstimmungs-Dramen im Parlament bestimmt waren, wird ihr Geheimnis bleiben. Dann erschien Johnson zur ersten Audienz. Zum 14. Mal während ihrer Zeit auf dem Thron ernannte die Queen einen neuen Premier, beauftragte ihn mit der Regierungsbildung.

Und die wurde für den Abend mit Spannung erwartet, nachdem vieles darauf hindeutete, dass der Neu-Premier ein Kabinett formen würde, das vornehmlich aus Europaskeptikern besteht. Johnson weiß, dass es die Zeit nicht zulässt, sich langsam im neuen Heim einzurichten. Der Brexit-Stichtag ist der 31. Oktober. Und gestern wiederholte er sein Versprechen, Großbritannien werde auch im Falle eines No Deals spätestens zu diesem Termin aus der Staatengemeinschaft ausscheiden. Man wünsche zwar keinen Brexit ohne Abkommen, trotzdem werde er sein Land auf diese „entfernte Möglichkeit“ vorbereiten. Aber seine Regierung werde „einen neuen Deal, einen besseren Deal“ erreichen. „Ich habe jedes Zutrauen, dass wir das in 99 Tagen schaffen.“

Während die Nation das Schauspiel des Machtwechsels verfolgte, verkündete unterdessen ein Minister nach dem anderen seinen Rücktritt. Finanzminister Philip Hammond, Justizminister David Gauke, Entwicklungshilfeminister Rory Stewart und der Vize-Premier David Lidington gaben alle nacheinander ihre Posten auf. Schließlich erklärte auch der bisherige Außenminister Jeremy Hunt sein Ausscheiden aus der Regierung; er war im Rennen um die May-Nachfolge gegen Johnson angetreten und hatte klar verloren. Johnson habe ihm eine andere Rolle angeboten, so Hunt auf Twitter, doch es sei an der Zeit, auf die Hinterbänke des britischen Unterhauses zurückzukehren. Er werde Johnson von dort aus unterstützen. Hunts Nachfolger wird der einstige Brexit-Minister Dominic Raab.

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