Eskaliert der Konflikt weiter? Der Iran zündet die nächste Stufe

Bagdad/Washington/Teheran · Teheran antwortet auf den Tod des Top-Generals mit einem Militärschlag auf US-Stützpunkte. Kommt es zur weiteren Eskalation?

(dpa) Es sind mehrere gleißende weiße Punkte, die vom Boden aufsteigen und durch den Nachthimmel gleiten. Ein dumpfes Rauschen ist zu hören. Mehr als ein Dutzend Raketen haben die Iraner in der Nacht zum Mittwoch in Richtung zweier Militärstützpunkte im Irak abgeschossen, die auch von der US-Armee genutzt werden. Immer wieder spielen TV-Sender der Region dieselben vom Iran verbreiteten Bilder der ballistischen Geschosse ab.

Nicht einmal eine Woche hat es gedauert, bis Irans Führung ihre Drohung wahr macht und Vergeltung für die Tötung ihres Top-Generals Ghassem Soleimani verübt. Wie zuvor die USA will sie in „Selbstverteidigung“ gehandelt haben. Damit ist eingetreten, was Beobachter nach dem US-Drohnenangriff auf Soleimani nahe dem Flughafen von Bagdad befürchtet haben: Den Schlag der Amerikaner beantworten die Iraner mit einem Gegenschlag. So könnte eine Spirale der Gewalt entstehen, die sich möglicherweise nicht mehr stoppen lässt. Teherans Raketen setzen nun US-Präsident Donald Trump unter Druck, seinerseits mit harter Hand zu antworten.

Irans oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei nannte den Vergeltungsakt eine „Ohrfeige für die Amerikaner“ und drohte, ein solcher Angriff reiche nicht aus. Das lässt weitere Operationen befürchten, schließlich verfolgt Teheran das Ziel, die US-Truppen aus dem Irak und auch aus Syrien zu vertreiben. Doch zugleich sieht es so aus, als wollten die Iraner einen Weg aus der Eskalation offen halten. Teheran scheint – trotz des lauten Säbelrasselns – bemüht gewesen zu sein, mit einem nur begrenzten Vergeltungsschlag zu antworten und nicht möglichst viele US-Soldaten zu töten.

Trotz der mehr als ein Dutzend Raketen blieben die Schäden offenbar vergleichsweise gering. Die irakischen Sicherheitskräfte meldeten, von ihren Soldaten sei keiner ums Leben gekommen. Auch aus dem nordirakischen Erbil heißt es: keine Verluste, keine Schäden. So hat der Iran zugeschlagen, aber nicht mit voller Wucht. Mit dem „abgeschlossenen und verhältnismäßigen“ Angriff, wie Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif es formulierte, lässt Teheran offenbar bewusst Raum für Deeskalation.

Für Trump ist es ein Moment der Wahrheit. Er steht vor einer der wohl wichtigsten Entscheidungen seiner Amtszeit: Wird er zehn Monate vor der US-Wahl weitgehende Vergeltungsschläge anordnen und einen Krieg mit dem Iran riskieren? Oder wird er seine Generäle anweisen, nur so begrenzt zurückzuschlagen, dass eine weitere Eskalation vermieden werden kann? Trump droht dem Iran seit Tagen, teils in martialischen Worten. Den Angriff der Iraner einfach hinzunehmen, dürfte angesichts seiner Drohgebärden fast unmöglich sein.

Seine erste Reaktion über Twitter am Dienstagabend (Ortszeit) ließ jedoch vermuten, dass auch er keine komplette Eskalation will: „Alles ist gut“, schrieb er da.

Am Samstag hatte Trump noch gewarnt, jeder iranische Angriff auf US-Bürger oder amerikanische Einrichtungen werde hart erwidert werden. Es gebe eine Liste von mehr als 50 iranischen Zielen, die von den USA angegriffen werden könnten. Trump betonte, er wolle keinen Krieg mit dem Iran, aber mögliche Vergeltungsschläge der Iraner würden „schnell und hart“ beantwortet werden. Politisch ist es für den Republikaner Trump eine heikle Angelegenheit: Seine harte Haltung gegenüber dem Iran kommt bei seinen Anhängern gut an. Als Wahlkämpfer vertritt Trump eigentlich schon seit 2016 eine klare Botschaft: Er will die „endlosen“ Kriege im Nahen Osten beenden und die US-Soldaten endlich nach Hause bringen. Doch als Präsident hat er immer mehr Truppen in die Region geschickt, um den Iran im Zaum zu halten.

 Iranischer_Raketenangriff_auf_US-Militaer_im_Irak

Iranischer_Raketenangriff_auf_US-Militaer_im_Irak

Foto: SZ/Steffen, Michael
  Symbolhaftes Graffiti auf dem Tahrir-Platz in Bagdad: Friedenstauben auf dem Schriftzug Irak werden angegriffen von Bomben der USA und Israels (Davidstern) – neben dem blutrünstigen IS.

Symbolhaftes Graffiti auf dem Tahrir-Platz in Bagdad: Friedenstauben auf dem Schriftzug Irak werden angegriffen von Bomben der USA und Israels (Davidstern) – neben dem blutrünstigen IS.

Foto: dpa/Nasser Nasser

Zur Bühne der Eskalation wird mit dem Irak das Land, das noch immer unter den Folgen des jahrelangen Kampfes gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und einer schweren politischen Krise leidet. Nirgendwo sind sich Amerikaner und Iraner so nahe wie hier. Gegen den IS kämpften sie sogar auf derselben Seite. Rund 5000 US-Soldaten sind in dem Krisenland stationiert. Teheran wiederum hat großen Einfluss im Irak und pflegt enge Beziehungen zu den mächtigen pro-iranischen Milizen des Landes, deren hoher Anführer Abu Mahdi al-Muhandis bei dem US-Angriff ebenfalls getötet wurde. Auch Soleimani war häufig im Irak.

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