Proteste, Streik, Krise Demonstranten im Sudan wollen weiter auf die Straße gehen

Khartum · Nach der Niederschlagung der Proteste kontrollieren Sicherheitskräfte die Hauptstadt Khartum. Doch die Opposition gibt sich nicht geschlagen.

       Barrikaden und leere Straßen zeugen von der Krisen-Lage in Khartum. Seit Sonntag gilt ein Generalstreik, zu dem die Opposition im Kampf für eine zivile Regierung aufgerufen hat.

Barrikaden und leere Straßen zeugen von der Krisen-Lage in Khartum. Seit Sonntag gilt ein Generalstreik, zu dem die Opposition im Kampf für eine zivile Regierung aufgerufen hat.

Foto: dpa/Gioia Forster

In der erdrückenden Hitze Khartums sitzen die jungen Männer auf Betten in einem kleinen Vorzimmer mit lila Wänden. Einer hat einen Arm in einer Schlinge. Ein zweiter hat eine Bandage auf der rechten Schulter – dort, wo er angeschossen wurde. Ein dritter hebt sein T-Shirt hoch und zeigt Wunden von Schlagstöcken auf seinem Rücken. Draußen vor der Tür wirbelt auf der Straße ein heißer Wind Staub auf, es herrscht Totenstille. Die Menschen sind dem Aufruf der Opposition gefolgt, das Land lahmzulegen.

Der 18-jährige Amar Mohammed al-Hassan und seine Freunde Abdu al-Rahim und Ali Idris waren dabei, als Sicherheitskräfte vergangene Woche die große Sitzblockade im Zentrum der sudanesischen Hauptstadt brutal auflösten. Demonstranten wurden erschossen, geschlagen und verjagt, Zelte niedergebrannt und Leichen in den Nil geworfen. Einem Ärzteverband zufolge starben mehr als 100 Menschen.

Das Internet haben die regierenden Generäle aus Furcht vor neuen Protesten seither weitgehend abschalten lassen. Wurde damit eine weitere Revolution in der arabischen Welt zunichte gemacht? Auf keinen Fall, sagt Idris. „Es hat gerade erst angefangen.“

Der Sudan ist seit Jahren international isoliert, die Opposition wird unterdrückt, wirtschaftlich liegt das Land am Boden. Massenproteste der unzufriedenen Bevölkerung führten im April zu einem Militärputsch, bei dem Präsident Omar al-Baschir nach rund 30 Jahren abgesetzt wurde. Schnell machte sich unter den 41 Millionen Einwohnern in dem Land im Nordosten Afrikas Euphorie breit. Die Demonstranten gaben sich nicht mit einer Militärherrschaft zufrieden. Sie forderten eine zivile Regierung und demonstrierten weiter mit der Sitzblockade vor der Zentrale der Streitkräfte im Zentrum Khartums.

Nachdem Verhandlungen zwischen Generälen und Opposition über die Bildung einer Übergangsregierung gescheitert waren, gingen vergangene Woche Montag Sicherheitskräfte gegen die Sitzblockade vor. „Sie kamen mit Fahrzeugen aus drei Richtungen und umzingelten die Menschen“, erinnert sich Idris. Als einige Demonstranten wegliefen, begannen die Sicherheitskräfte zu schießen, wie er sagt. Er selbst sei in ein Gebäude gerannt, Sicherheitskräfte auf seinen Fersen. Sie schlugen demnach auf ihn ein. Er konnte entkommen.

Idris, Al-Hassan, Al-Rahim und etliche andere Demonstranten sind sich sicher: Die Sicherheitskräfte waren Mitglieder der Schnellen Einsatztruppen (RSF), einer berüchtigten und quasi-autonomen Einheit der Streitkräfte. Die Bewohner Khartums nutzen nur den Namen, unter dem die Einheit früher bekannt war: Dschandschawid. Während des Darfur-Konflikts war diese arabische Miliz für brutale Verbrechen gegen die Bevölkerung verantwortlich. Heute ist ihr Chef Mohammed Hamdan Daglu, genannt Hemeti, die Nummer zwei der Militärregierung. Hemetis gefürchtete Truppen scheinen derzeit das Zentrum Khartums zu kontrollieren.

Amnesty International warnte am Dienstag vor der paramilitärischen Einheit. Sie sei für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im ganzen Land verantwortlich, erklärte die Menschenrechtsorganisation und forderte die Uno und die Afrikanische Union zu einer Verlängerung ihres Friedenseinsatzes im Sudan auf, über den Ende Juni entschieden werden soll.

Die Generäle werden von Saudi-Arabien und den Emiraten gestützt. Doch die Opposition gibt sich nicht geschlagen. Sie rief zu einem Generalstreik auf, der seit Sonntag gilt. Auch am Dienstag glich die Hauptstadt einer Geisterstadt. Der Streik soll Druck auf die Generäle ausüben, die Macht bald an eine zivile Übergangsregierung abzugeben. In einigen Stadtteilen bauten Demonstranten auf den Straßen Barrikaden aus Steinen auf, um Sicherheitskräfte zu blockieren. Immer wieder werden sie abgerissen, immer wieder aufgebaut.

Wie lange halten die Menschen dies durch? Die Opposition hält sich seit dem brutalen Vorgehen des Militärs weitgehend zurück. Sie habe Angst, vermuten einige; andere sagen, sie brauche Zeit, eine neue Strategie zu entwickeln.

Wie diese aussehen könnte, das wollen auch die jungen Männer Al-Hassan, Al-Rahim und Idris wissen. Sie seien bereit, wieder auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren, sagt Al-Rahim. Auch Al-Hassans Wille ist nicht gebrochen: „Mit der Militärregierung an der Macht ist es fast schlimmer als vorher.“

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