Umwandlung in Moschee Müssen die christlichen Mosaike in der Hagia Sophia weichen?

Istanbul · Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Bau vor der Wiedereröffnung als Moschee an diesem Freitag inspiziert.

 Die christlichen Mosaike in der Hagia Sophia sollen während muslimischer Gebete mit Vorhängen verhüllt werden.

Die christlichen Mosaike in der Hagia Sophia sollen während muslimischer Gebete mit Vorhängen verhüllt werden.

Foto: dpa/Yasin Akgul

In der Hagia Sophia drängen sich um diese Jahreszeit normalerweise tausende Besucher. Doch derzeit ist es still unter der riesigen Kuppel des Weltkulturerbes. Nur der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kam am Wochenende in die Hagia Sophia, um den Umbau des Gebäudes in eine Moschee zu inspizieren. Zusammen mit Beratern schaute sich Erdogan unter anderem den Teppich an, der vor dem ersten Freitagsgebet am 24. Juli auf dem Steinboden ausgerollt werden soll. Der leuchtend blau-grüne Stoff sorgte sofort für Diskussionen. Eine hässlichere Farbe hätte die Regierung nicht auswählen können, schrieb ein Erdogan-Kritiker auf Twitter. Nicht nur über den Teppich wird gestritten: Eiferer fordern die Zerstörung der weltberühmten christlichen Mosaiken in der früheren Kirche.

Erdogan betrachtet das Gebet an diesem Freitag als historische Zäsur. Im sechsten Jahrhundert als Reichskirche der Byzantiner gebaut, wurde die Hagia Sophia im 15. Jahrhundert von den osmanischen Eroberern von Istanbul zur Moschee erklärt. Vor mehr als 80 Jahren wandelte Mustafa Kemal Atatürk, der Gründer der modernen Türkei, das Gebäude im Herzen der Istanbuler Altstadt in ein religiös neutrales Museum um. Doch nun wird die Hagia Sophia wieder zur Moschee. Seitdem der türkische Verwaltungsgerichtshof am 10. Juli entschied, den Museums-Status des Gebäudes zu streichen und Erdogan anschließend sofort per Erlass die Umwandlung in ein islamisches Gotteshaus verfügte, ist die Hagia Sophia für die Umbauarbeiten geschlossen.

Bis zu 2000 Gläubige sollen am Freitagmittag zusammen mit Erdogan in der Hagia Sophia das erste feierliche Gebet sprechen. Da der Islam die bildliche Darstellung von Menschen verbietet, müssen die Bilder von Maria, Jesus, Heiligen, Kaisern und Kaiserinnen während der islamischen Gebete verschwinden. Die Regierung betont seit Wochen, die christlichen Kulturschätze der Hagia Sophia würden erhalten bleiben. Außerhalb der Gebetszeiten wird die Hagia-Sophia-Moschee für alle Besucher offen sein.

Mit Vorhängen sollen die Mosaike während der Gebete verhüllt werden, sagte Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin. Einfach ist diese Lösung nicht, warnen Fachleute. So stelle sich die Frage, wo in dem historischen Gemäuer die Löcher für die Halterungen gebohrt werden sollten, schrieb Tugba Tanyeri-Erdemir, eine Expertin für religiöse Minderheiten im Nahen Osten, auf Twitter. Die zwei Wochen zwischen der Gerichtsentscheidung und der Wiedereröffnung als Moschee seien auf keinen Fall genug Zeit, um die vielen schwierigen Fragen zu klären.

Einige Mosaik-Gegner wollen gleich kurzen Prozess machen. Der Historiker Ebubekir Sofuoglu forderte, die Mosaike sollten ganz von den Wänden entfernt werden. Sonst werde die Hagia Sophia die erste Moschee der Welt sein, in der Muslime unter dem Bildnis einer „Hure“ beten müssten, schrieb Sofuoglu auf Twitter. Damit meinte er ein Mosaik, das die byzantinische Kaiserin Zoe aus dem 11. Jahrhundert zeigt. Sie war mehrmals verheiratet und soll viele Liebhaber gehabt haben.

Selbst wenn sich extreme Forderungen wie die von Sofuoglu nicht durchsetzen, könnte die Hagia Sophia als Moschee vielen Gefahren ausgesetzt sein, vor denen sie als Museum geschützt war. Tanyeri-Erdemir verwies darauf, dass islamistische Eiferer versuchen könnten, die teilweise leicht erreichbaren Mosaike in Eigeninitiative zu zerstören. Bisher wachte Museumspersonal darüber, dass niemand den Mosaiken zu nahe kam oder Graffiti an die Wände schmierte. Künftig wird die Hagia Sophia jedoch vom Frühgebet bis zum späten Abend geöffnet sein – und zwar ohne Museumswächter.

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