Astrazeneca-Impfungen in Großbritannien Die Briten impfen fleißig weiter mit Astrazeneca

London · Die Nachricht, dass in vielen EU-Ländern das Verimpfen erst einmal ausgesetzt wird, hat im Königreich Verwunderung und Unverständnis ausgelöst.

Briten impfen fleißig weiter mit Astrazeneca-Vakzin
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In der Downing Street hätten sie am liebsten den Union Jack auf die Impfstoff-Fläschchen drucken lassen. Dieser von der britischen Regierung geäußerte Wunsch wurde zwar abgelehnt, aber vor allem konservative Politiker werden nicht müde, den von der Universität Oxford in Zusammenarbeit mit dem schwedischen Unternehmen Astrazeneca entwickelten Impfstoff als „großen britischen Erfolg“ zu feiern.

Premierminister Boris Johnson sprach nach der Zulassung im Königreich von einem „Triumph für Großbritanniens Wissenschaft“. Experten weisen solche Aussagen zurück – und warnen gar vor den Folgen dieses „Vakzin-Nationalismus“. Dieser dürfte aber ohnehin nur bedingt dazu beitragen, warum die Briten deutlich positiver gegenüber dem Vakzin eingestellt sind. Viel entscheidender scheint: Die Menschen vertrauen schlichtweg den eigenen Wissenschaftlern und Gesundheitsbehörden sowie der Weltgesundheitsorganisation – und deren Daten. Mehr als elf Millionen Dosen Astrazeneca sind im Land bereits zum Einsatz gekommen und bislang gebe es keinerlei Anzeichen für ein erhöhtes Auftreten von Thrombosefällen, hieß es von Großbritanniens Regulierungsbehörde für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte MHRA. Sie hält einen Impfstopp zum jetzigen Zeitpunkt für nicht angebracht.

Also wird auf der Insel weitergeimpft. Beinahe die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung hat bereits zumindest die erste Dosis erhalten. Die Nachricht, dass in vielen europäischen Ländern das Verimpfen des Astrazeneca-Impfstoffs erst einmal ausgesetzt wird, löste denn auch vor allem Verwunderung und Unverständnis aus. Noch deutet nichts darauf hin, dass sich die Menschen auf der Insel davon irritieren lassen. Trotzdem beeilten sich Politiker aller Couleurs, auf Versicherungen der Regulierer und Wissenschaftler zu verweisen. Sowohl Premierminister Johnson als auch die Erste Ministerin Schottlands, Nicola Sturgeon, betonten, das Astrazeneca-Vakzin sei „sicher und effektiv“. Abgeordnete riefen die Briten dazu auf, die „Fake news“ vom Kontinent zu ignorieren.

Ohnehin wittern zahlreiche europaskeptische Beobachter eine Schmutzkampagne gegen das Königreich, auch wenn es dafür keinerlei Ansatzpunkte gibt. Das jüngste Chaos auf der anderen Seite des Kontinents wird deshalb als willkommene Gelegenheit zur Kritik genutzt. Der Tory-Parlamentarier Anthony Browne etwa schimpfte, europäische Politiker wären angetrieben von „Politik, nicht Wissenschaft“. Das „Brexit-Schmollen“ werde in der EU Menschenleben kosten.

Wie bereits in den vergangenen Wochen, als einige Zeitungen den langsamen Impf-Fortschritt auf dem Festland mit viel Schadenfreude verhöhnten, rückte die europaskeptische Presse auch jetzt nicht nationale Regierungen in den Mittelpunkt, sondern ihren Lieblingsgegner: Die EU. Obwohl die Union nichts mit dem Stopp der AZ-Verabreichungen zu tun hatte, wurde dieser kurzerhand als Brüsseler Racheakt am Königreich bewertet. Das Boulevardblatt Daily Express nannte es „beschämend“ und machte ebenfalls die EU als Sündenbock aus. Die Pleiten auf dem Kontinent werden als beste Werbung für den Brexit ausgeschlachtet, ganz nach dem Motto: Befreit von den Ketten der bürokratischen und langsamen EU konnte das unabhängige Großbritannien schneller zulassen, frühzeitiger und mehr Mengen einkaufen und komme nun zügiger mit dem Impfen voran.

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