Brexit-Verhandlungen Brexit-Handelspakt: Brüssel wartet auf Premier Johnson

Brüssel · Bringt ein weiteres, diesmal persönliches Gespräch mit EU-Kommissionschefin von der Leyen den Durchbruch? Das Europa-Parlament warnt derweil, angesichts des Verhandlungsstopps, vor akuter Zeitnot.

Brexit-Handelspakt: Premier Johnson will nach Brüssel zur EU-Kommission
Foto: dpa/Francisco Seco

Die Verhandlungen sind nichts für schwache Nerven. Ob zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union noch ein Handelsabkommen zustande kommt, blieb auch am Dienstag offen. Zwei Mal hatten der britische Premierminister Boris Johnson und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen seit dem Wochenende miteinander telefoniert. Doch am Montagabend, so formulierte es am Dienstag ein ranghoher EU-Diplomat, „scheint etwas passiert zu sein“. Das Gespräch wurde – wie es offiziell heißt – nicht beendet, sondern „unterbrochen“. Johnson habe sich „Bedenkzeit“ erbeten. Die Diplomaten deuten dies als Hinweis darauf, dass „etwas auf dem Tisch“ liege. Was das sein könnte, ist unklar.

Gerüchte vom Wochenende, man habe sich beim strittigen Thema der Fangquoten angenähert, dementierte London postwendend. Was blieb, war die Ankündigung, Boris Johnson werde „in diesen Tagen“ persönlich nach Brüssel reisen, um mit von der Leyen Auge in Auge zu reden. Die Kommissionspräsidentin hatte diese Einladung ausgesprochen, aber gleich hinzugefügt, dass sie zwar jederzeit zur Verfügung stehe – aber nicht parallel zum Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag. Somit blieben nur dieser Mittwoch und das Wochenende.

Es ist nötig, diesen Verlauf so kleinteilig zu schildern, weil sich darin die wachsende Spannung ebenso wie die wachsende Nervosität widerspiegeln. Am Silvesterabend läuft die Übergangsfrist ab, ab dem Neujahrsmorgen gehört das Vereinigte Königreich nicht länger der Zollunion mit der EU an. Zölle und etliche weitere Handelshürden drohen, unabhängig davon, ob es zu einem Deal kommt oder nicht.

In Brüssel gab es am Dienstag wieder jede Menge Mahnungen – meist an die Adresse des britischen Premiers. „Herr Johnson, willkommen in der Wirklichkeit“, sagte der Vorsitzende der christdemokratischen EVP-Fraktion im Europa-Parlament, Manfred Weber (CSU). Johnson beginne gerade „zu lernen, dass es in einer globalisierten Welt keine Souveränität mehr gibt“. Man müsse zusammenhalten.

Das wird nicht einfach. Denn bei den Kernthemen, die ein Handelsabkommen regeln müsste, sind bisher offenbar nur wenige Fortschritte erreicht worden. Neben den Fangquoten in der Fischerei sind das vor allem die Frage des Zugangs zum Binnenmarkt, wo die Union auf Einhaltung ihrer Regeln besteht, die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes und der Status Nordirlands. „Unser künftiges Verhältnis beruht auf Vertrauen“, gab sich der deutsche Europa­staatsminister Michael Roth (SPD) dennoch optimistisch.

Allerdings droht sogar im positiven Fall einer Einigung noch ein Nachspiel. Im Europäischen Parlament werden jene Stimmen immer lauter, die vor einer raschen Ratifizierung auf einer Sondersitzung zwischen Weihnachten und Silvester warnen. Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im Abgeordnetenhaus, sagte: „Das ist bei über 1000 Seiten überhaupt nicht mehr seriös.“ Die Volksvertreter müssten sich in den Text einarbeiten und ihn prüfen können. Wie man eine solche Verlängerung juristisch sauber begründen könnte, erscheint bisher allerdings nicht erkennbar. Das britische Parlament hat per Gesetz ausgeschlossen, dass die Übergangsphase über den 31. Dezember 2020 hinaus ausgedehnt wird.

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