500 000 Anträge auf dauerhaften Aufenthalt allein im September Tausende EU-Bürger wollen nach Brexit in Großbritannien bleiben

Brüssel/London · Rund 1,8 Millionen in Großbritannien lebende EU-Bürger haben eine Aufenthaltsgenehmigung im Vereinigten Königreich über den Brexit hinaus beantragt. Allein im September stellten mehr als 500 000 von ihnen einen entsprechenden Antrag, wie aus am Mittwoch veröffentlichten Zahlen der Regierung in London hervorgeht.

Die meisten Antragsteller stammen demnach aus Polen, Rumänien und Italien.

Die hohe Zahl der Anträge im September verdeutliche die Sorgen vieler EU-Bürger angesichts des bevorstehenden Brexit, sagte Nicholas Hatton, Gründer der Organisation „The3Million“, die sich für die Belange von EU-Bürgern im Vereinigten Königreich einsetzt.

Laut den von der britischen Regierung vorgelegten Zahlen wurden 1,5 Millionen der Anträge erfolgreich abgeschlossen. 61 Prozent der Antragsteller wurde demnach ein sogenannter dauerhafter Status („settled status“) gewährt. Anspruch auf diesen Status haben EU-Ausländer, die seit mindestens fünf Jahren dauerhaft in Großbritannien leben. Sie sind auch nach dem Brexit berechtigt, in Großbritannien zu arbeiten und Sozialleistungen zu empfangen.

38 Prozent erhielten den vorgelagerten dauerhaften Status (pre-settled status) für EU-Bürger, die seit weniger als fünf Jahren in Großbritannien leben. Sie dürfen sich weitere fünf Jahre im Vereinigten Königreich aufhalten und bei Erreichen der Fünf-Jahres-Schwelle erneut einen Antrag auf dauerhaften Aufenthalt stellen. „Die EU-Bürger sind unsere Freunde, unsere Familie und unsere Nachbarn, und wir wollen, dass sie bleiben“, erklärte der Staatssekretär im Innenministerium, Brandon Lewis. Die hohe Zahl der Bewerber um eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bezeichnete er als „fantastisch“.

Im Falle eines ungeregelten Brexit haben EU-Bürger noch bis zum 31. Dezember 2020 Zeit, eine Aufenthaltsgenehmigung für Großbritannien zu beantragen. Erzielt die Regierung in London in den kommenden drei Wochen noch ein Austrittsabkommen mit Brüssel, bleibt den EU-Bürgern noch Zeit bis zum 30. Juni 2021.

„Die Regierung weigert sich immer noch zu erklären, was mit jenen geschehen wird, die ihren Antrag nicht bis zum Stichtag im Dezember 2020 gestellt haben“, kritisierte Hatton. Es sei ungewiss, ob es am 1. Januar 2021 „hunderttausende Menschen ohne Papiere in Großbritannien“ geben werde.

Der britische Premierminister Boris Johnson hat wiederholt bekräftigt, sein Land am 31. Oktober aus der EU führen zu wollen

Das oberste Gericht in Schottland vertagte derweil am Mittwoch eine Entscheidung, ob es im Streit um eine Brex­it-Verlängerung im Zweifel eingreifen würde. Kritiker von Boris Johnson hatten in dem Berufungsverfahren gefordert, dass die Richter dem britischen Regierungschef Zwangsmaßnahmen androhen, sollte er sich nicht an das Gesetz gegen einen ungeregelten Brexit halten. Aus einem Regierungsdokument, das einem Gericht in Edinburgh vergangene Woche in erster Instanz vorgelegt wurde, geht hervor, dass Johnson den Antrag auf Verlängerung stellen will, falls notwendig. Die Richter wollen es nun darauf ankommen lassen, ob sich der Premier an diese Zusage hält.

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