Corona-Krise Brasilien, die Impfpflicht und Bolsonaros Zorn

MEXIKO-STADT/Rio de Janeiro · Brasilien ringt mit der Corona-Krise – und nicht zum ersten Mal äußert sich der Staatschef mehr verärgert denn besorgt. Denn Brasiliens Oberste Richter haben die Corona-Impfung für die Bevölkerung zur Pflicht gemacht – und sich damit den Zorn von Präsident Jair Bolsonaro zugezogen.

 Für ihn ist Corona eine kleine Grippe: Jair Bolsonaro, Brasiliens rechtspopulistischer Präsident.

Für ihn ist Corona eine kleine Grippe: Jair Bolsonaro, Brasiliens rechtspopulistischer Präsident.

Foto: dpa/Eraldo Peres

Mit zehn zu eins Richterstimmen entschied das „Supremo Tribunal Federal“ am Donnerstag, dass die Behörden Sanktionen gegen diejenigen Brasilianer verhängen können, die sich der Immunisierung verweigern. Die Sanktionen reichen dabei von Geldstrafen bis etwa zu dem Verbot, seinen Reisepass zu erneuern oder den Öffentlichen Nahverkehr zu nutzen, erklärte das Gericht. Zudem können die lokalen Behörden künftig Impfverweigerern den Zugang zu Restaurants oder Einkaufszentren verweigern, wenn sie keine Impfung nachweisen können.

„Aber niemand wird die Menschen an den Haaren zu der Impfstelle zerren“, versicherte der Vorsitzende Richter Luiz Fux. Indes sei die Pflicht, sich gegen Corona immunisieren zu lassen, vergleichbar mit der Wahlpflicht, betonten die Juristen bei ihrer Entscheidung.

Brasilien ist mit 7,1 Millionen bestätigten Fällen eines der am härtesten von der Pandemie betroffenen Länder. Weltweit liegt der südamerikanische Staat bei den Infektionen an dritter Stelle hinter den USA und Indien. 184 000 Todesfälle bedeuten Platz zwei hinter den Vereinigten Staaten. Am Mittwoch verzeichnete das Land mit über 70 000 Neuinfektionen einen Höchstwert. Zuletzt sind die Corona-Kurven in vielen Bundesstaaten angestiegen. Unter anderem verzeichneten die Stadt und der Bundesstaat Rio de Janeiro wieder steigende Corona-Zahlen, die Belegungsquote der öffentlichen und privaten Intensivbetten für Covid-19-Patienten nahm zu.

Trotz dieser Zahlen hat der radikal rechte Staatschef Bolsonaro die Pandemie immer klein geredet, und sie jüngst für eigentlich überwunden in seinem Land erklärt. Dementsprechend kritisierte er jetzt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs massiv. „Wir sind doch hier nicht in Venezuela oder Kuba“, echauffierte sich der 65-Jährige in einem Video in den sozialen Netzwerken. „Ich kann mein Volk doch nicht verpflichten, sich impfen zu lassen.“ Bolsonaro – der auch wegen seines Kurses gegenüber der Umwelt oder Minderheiten in der Kritik steht – hatte bereits zuvor versichert, dass er sich nicht impfen lassen werde. Allerdings hatte er sich bereits ein Mal mit Corona infiziert.

Brasilien, das mehr als 200 Millionen Einwohner hat, hofft auf 37,7 Millionen Impfdosen bis Februar. Im März sollten weitere 31 Millionen Dosen ausgeliefert werden, versicherte Gesundheitsminister Eduardo Pazuello. Sein Land habe einen genauen Impfplan und sei damit weiter als viele andere Industriestaaten. „Wir gehören weltweit zur Avantgarde bei der Immunisierung.“ Bisher hat Brasilien erst einen Vertrag mit dem Pharmaunternehmen AstraZeneca abgeschlossen.

Unterdessen hat die Stadt Rio wegen Corona auch die geplante virtuelle Feier zum Jahreswechsel abgesagt. „Die Entscheidung ist notwendig, um Ansammlungen zu vermeiden, aus Respekt vor den Opfern und für die Sicherheit aller“, erklärte die Verwaltung der brasilianischen Metropole. Die Silvesterparty in Rio ist eine der berühmtesten der Welt und zieht jedes Jahr Millionen Touristen in die Metropole. Jetzt findet sie auch im Internet nicht statt. In diesem Jahr ist vieles anders.

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