Neue US-Kllimapolitik Der Wind der grünen Wende weht aus dem Weißen Haus

Washington · Der neue US-Präsident Biden setzt – ganz anders als Trump – voll auf Klimapolitik. Er verspricht mehr Windkraft, E-Autos und Jobs – und erntet Widerspruch.

 25.01.2021, USA, Washington: US-Präsident Joe Biden spricht während einer Veranstaltung zur amerikanischen Produktion im South Court Auditorium auf dem Gelände des Weißen Hauses. Foto: Evan Vucci/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

25.01.2021, USA, Washington: US-Präsident Joe Biden spricht während einer Veranstaltung zur amerikanischen Produktion im South Court Auditorium auf dem Gelände des Weißen Hauses. Foto: Evan Vucci/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Evan Vucci

Vier Jahre lang war es eher still um John Kerry, den letzten Außenminister im Kabinett Barack Obamas. Jetzt meldet sich der 77-Jährige zurück auf der großen Bühne der Politik. Joe Biden hat ihn zum Sonderbeauftragten für den Klimawandel ernannt, und nun ist es Kerry, der den Sinn der ersten Klima-Direktiven des neuen Präsidenten am eindringlichsten begründet. „Es ist billiger, sich mit der Klimakrise zu beschäftigen, als sie zu ignorieren“, mahnt er. Schließlich müsse man immer mehr an Steuergeldern ausgeben, um nach den Verwüstungen immer schlimmerer Wirbelstürme den Schaden zu reparieren. „Es kostet uns immer mehr Geld, Leute. Was wir da machen, ist einfach nicht klug.“

Der ökonomische Nutzen der Weichenstellung: Es ist der Aspekt, den das Weiße Haus in den Vordergrund stellt. Am Mittwoch hatte Biden mit einer Reihe von Dekreten weitere Pflöcke eingeschlagen. Nachdem er bereits die Rückkehr ins Pariser Klimaabkommen und den Stopp des Baus der Öl-Pipeline Keystone XL verfügt hatte, gab er langfristige Ziele aus. Bis 2050 soll die US-Volkswirtschaft klimaneutral werden. Bis 2030 sollen Windturbinen vor den Küsten doppelt so viel Strom erzeugen wie heute. Der Fuhrpark der Regierung soll komplett auf E-Fahrzeuge umgestellt werden. Zudem – der auf kurze Sicht wichtigste Punkt – darf das Innenministerium bis auf Weiteres keine Genehmigungen mehr für die Förderung von Öl und Gas in Küstengewässern sowie auf Landflächen erteilen, die dem Bund gehören.

Gerade in den letzten Wochen der Ära Trump waren noch einmal Lizenzen in großem Stil vergeben worden. Nach Angaben der Washington Post wird aktuell jedoch nur auf 53 Prozent der freigegebenen Flächen tatsächlich nach Öl oder Gas gebohrt. Gina McCarthy, einst Chefin der Umweltbehörde, heute Klimaberaterin im Weißen Haus, spricht von einer Genehmigungslawine, die wirtschaftlich keinen Sinn ergebe. Schon deshalb sei es dringend geboten, jetzt eine Pause einzulegen.

Derzeit entfällt etwa ein Fünftel der Ölgewinnung auf Staatsland und den Küstenschelf der USA. An der Förderung auf Parzellen in Privatbesitz ändert Bidens Anweisung nichts. Nach Ansicht von Fachleuten dürfte das Moratorium frühestens 2023 praktische Folgen für die Rohölproduktion haben. In Erwartung des Vergabestopps haben etliche Unternehmen unter Trump Lizenzen quasi auf Vorrat beantragt. Dennoch, allein an der Symbolik der Wende haben sich heftige Debatten entzündet.

„Wir können nicht länger warten, wir sehen es mit unseren eigenen Augen, wir spüren es in unseren Knochen“, sagte Biden, nachdem er die Direktiven unterzeichnet hatte. „Denke ich an den Klimawandel und die Antwort darauf, denke ich an Arbeitsplätze“, fügte er hinzu. „Das sind keine utopischen Träume, das sind konkrete, machbare Lösungen.“ Hunderttausende gut bezahlter Jobs, versprechen die Demokraten, werden geschaffen, wenn man sich mit aller Kraft erneuerbaren Energien zuwendet. Schon vor der Pandemie, betont der „Klima-Zar“ Kerry, sei der Clean-Energy-Sektor schneller gewachsen als jede andere Branche. Am Markt seien die Weichen bereits zu einer Zeit gestellt worden, als Trump noch die Renaissance der Kohle beschwor.

William Peduto, Bürgermeister der früheren Stahlstadt Pittsburgh, die den Strukturwandel besser meisterte als andere Standorte der alten Industrie, plädiert für einen Kraftakt nach dem Vorbild des Marshall-Plans. Der Demokrat wirbt für massive, staatlich geförderte Investitionen. „Ist es nicht sinnvoller, dass wir Windturbinen selbst bauen, statt sie weiter aus Deutschland zu kaufen?“ Das Pikante daran: Als Trump den Ausstieg aus dem Klimaabkommen verkündete, hatte er in der Pose des Patrioten erklärt, er sei gewählt worden, um die Bürger von Pittsburgh zu repräsentieren und nicht die von Paris.

Widerspruch kommt aus Regionen, die nach wie vor von fossilen Brennstoffen leben. Der Generalstaatsanwalt West Virginias, eines klassischen Kohlestaats, hat bereits rechtliche Schritte gegen die Klimadekrete avisiert. John Cornyn, ein konservativer Senator aus Texas, dem Zentrum der amerikanischen Ölindustrie, hält die Energiewende auf absehbare Zeit für unrealistisch. Er sei ja durchaus für saubere Alternativen, sagt er, „doch aktuell haben wir es mit der Tatsache zu tun, dass 280 Millionen Autos mit Verbrennungsmotoren auf unseren Straßen fahren“. Andere warnen vor einem Wegbrechen der Steuereinnahmen. Im vergangenen Finanzjahr kassierte der Fiskus 8,1 Milliarden Dollar für die Erlaubnis, auf Staatsland fossile Rohstoffe zu fördern.

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