Neuwahlen in Italien: Ex-Präsidenten Berlusconi und Renzi mischen mit Sommer, Sonne, Salvini – und römische Ränkespiele

Rom · Die Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und Matteo Renzi könnten bei der Frage nach Neuwahlen in Italien eine entscheidende Rolle spielen.

 Matteo Salvini rudert kräftig in Richtung Neuwahlen, Berlusconis Forza Italia könnte bei der Entscheidung das Zünglein an der Waage sein.

Matteo Salvini rudert kräftig in Richtung Neuwahlen, Berlusconis Forza Italia könnte bei der Entscheidung das Zünglein an der Waage sein.

Foto: dpa/Stefano Cavicchi

Trotz Sommerhitze und Ferienstimmung sind in Rom derzeit alle Augen auf das Parlament gerichtet. Die Abgeordneten müssen demnächst über den Misstrauensantrag gegen Ministerpräsident Giuseppe Conte entscheiden. Matteo Salvini, Innenminister, Vizepremier und Chef der rechten Lega, hatte vergangene Woche das Ende der Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung verkündet. Die entscheidenden Momente in der italienischen Regierungskrise spielen sich jedoch in den Hinterzimmern ab. In einem der wichtigsten Treffen dieser Tage hat ein uralter Bekannter der römischen Ränkespiele die herausragende Rolle inne: Silvio Berlusconi.

Der viermalige Premierminister will dieser Tage Lega-Chef Salvini treffen, beide Politiker sind derzeit aufeinander angewiesen. Der 82-jährige Medienunternehmer aus Mailand verfügt immer noch über einigen Einfluss in Rom. Berlusconis Partei Forza Italia hat 104 Parlamentarier im Abgeordnetenhaus und 62 Senatoren, die bei den anstehenden Entscheidungen ein wichtiges Wort mitreden können. Während Lega-Chef Salvini, gestützt von ausgezeichneten Umfragewerten, baldige Neuwahlen anstrebt, formiert sich in Rom eine Allianz, die diesen Plan verhindern will. Die Berlusconi-Parlamentarier könnten zum Zünglein an der Waage werden, wenn es darum geht, den Weg für Neuwahlen noch im Herbst freizumachen. Dafür verlangt der Profi-Verhandler und EU-Parlamentarier Berlusconi Gegenleistungen, etwa die Beteiligung an der zukünftigen Regierung unter einem Premier Salvini.

Spielen der 82-jährige Ex-Premier und seine Gefolgsleute nicht mit, nimmt er dem Umfrage-König Salvini den Wind aus den Segeln, der aktuell mit bis zu 40 Prozent der Stimmen rechnen kann. Den Preis, den Berlusconi dem Vernehmen nach fordert, ist ein Wahlbündnis, wie es schon vor den vergangenen Wahlen Bestand hatte. Damals traten Forza Italia, Lega und die Rechtsaußen-Partei Fratelli d‘Italia gemeinsam an. Salvini ging dann nach der Wahl dennoch ein Regierungsbündnis mit den Linkspopulisten der Fünf-Sterne-Bewegung ein, das er nun nach 14 Monaten wieder platzen ließ. Nun soll die alte Koalition wieder aufleben. „Ich werde ihnen einen Pakt anbieten“, sagte Salvini der Berlusconi-Zeitung Il Giornale.

Auf regionaler und kommunaler Ebene paktieren Lega und Forza Italia mehrfach, nicht zuletzt in zehn der 20 italienischen Regionen. Salvini ist vor allem in der aktuellen Phase auf Unterstützung im nationalen Parlament angewiesen, das den Weg für baldige Neuwahlen freimachen kann. Seine Lega verfügt in der kleineren, aber entscheidenden Kammer, dem Senat, nur über 58 Abgeordnete. Weil die meisten anderen Parteien bei den Italienern derzeit weniger punkten und deshalb keine Neuwahlen wünschen, formt sich eine Anti-Salvini-Allianz im Parlament, die zwar nicht auf eine dauerhafte Gegenkoalition, aber auf eine Übergangsregierung hinarbeitet.

Zu dem Block zählt nicht nur die Fünf-Sterne-Bewegung, bisheriger Koalitionspartner der Lega und im aktuellen Parlament am stärksten vertreten. Sterne-Gründer und Komiker Beppe Grillo gab bereits die Losung aus, man müsse Italien nun vor den „neuen Barbaren“ retten, also alles Mögliche gegen den von seiner Bewegung mitgetragenen Rechtskurs des bisherigen Koalitionspartners Lega unternehmen.

Auch der sozialdemokratische Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi mischt hinter den Kulissen wieder kräftig mit und droht die Demokratische Partei (PD) zu spalten. Der 44-jährige Senator Renzi sprach sich für die Bildung einer Übergangsregierung aus, die die bereits geplante Mehrwertsteuererhöhung verhindern und den Haushalt für 2020 verabschieden soll. PD-Parteichef Luca Zingaretti hingegen strebt Neuwahlen an, nicht zuletzt, um seinen Führungsanspruch in der Partei auch mit ihm gewogenen Abgeordneten zu untermauern. Wie Berlusconi hat auch der frühere PD-Chef Renzi mit Dutzenden Gefolgsleuten im Parlament einigen Einfluss. Gemunkelt wird seit Monaten auch über seine  Gründung einer neuen Partei der Mitte nach dem Vorbild von „En Marche!“ des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Für die Bildung dieser neuen Formation braucht Renzi offenbar noch Zeit, will also baldige Neuwahlen verhindern.

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