Ausschreitungen an der Universität Die Lage in Hongkong eskaliert weiter

Hongkong · Nach schweren Ausschreitungen belagert die Polizei eine Universität. Vor Gericht erleidet die Regierung einen Rückschlag.

 Ein Bereitschaftspolizist in Hongkong feuert bei schweren Zusammenstößen mit Demonstranten in der Nähe der Polytechnischen Universität Tränengas ab.

Ein Bereitschaftspolizist in Hongkong feuert bei schweren Zusammenstößen mit Demonstranten in der Nähe der Polytechnischen Universität Tränengas ab.

Foto: dpa/Achmad Ibrahim

Inmitten der schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten hat Hongkongs Regierung eine peinliche Niederlage hinnehmen müssen. Ein Gericht verwarf das erst Anfang Oktober verhängte Vermummungsverbot am Montag als verfassungswidrig und zu weitgehend. Das in einem Rückgriff auf fast hundert Jahre koloniales Notstandsrecht verhängte Verbot von Maskierungen verstoße gegen das Grundgesetz der chinesischen Sonderverwaltungsregion, befand das Gericht.

Nach dem Urteil teilte die Hongkonger Regierung mit, dass der Bann vorerst nicht weiter verfolgt werde. In den vergangenen Wochen waren viele Demonstranten festgenommen worden, weil sie Masken und dicht schließende Brillen trugen, um sich vor Tränengas zu schützen. Viele wollten auch verhindern, dass sie identifiziert werden können. Ihnen drohten Haft bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 2900 Euro.

Die Zusammenstöße zwischen radikalen Aktivisten und Sicherheitskräften dauerten auch am Montag an. Wegen der unsicheren Lage erwägt die Hongkonger Regierung eine Verschiebung der für Sonntag geplanten Kommunalwahl. Sie teilte nach Angaben des Rundfunksenders RTHK mit, die Ereignisse des vergangenen Wochenendes hätten „die Chancen verringert“, die Wahlen für die Bezirksräte abhalten zu können. Kontroversen hatte es schon vorher gegeben, nachdem ein Wortführer der Demokratiebewegung, Joshua Wong, als Kandidat disqualifiziert worden war. Ihm wird unterstellt, für die Unabhängigkeit Hongkongs einzutreten. Auch wurden mehrere Kandidaten beider Lager attackiert und verletzt. Zuletzt waren prodemokratische Kandidaten in Umfragen im Aufwind.

Nach schweren Zusammenstößen auch in der Nacht zum Montag an der Polytechnischen Universität belagerte die Polizei das Gelände, auf dem noch schätzungsweise 100 bis 200 Studenten festsaßen. Bei den dramatischen Zusammenstößen am Vortag hatten radikale Aktivisten mit Katapulten auch Brandsätze auf Sicherheitskräfte geschleudert, mit Pfeil und Bogen auf Polizisten geschossen und Feuer gelegt.

Die Polizei hatte die Demonstranten aufgefordert, das Gelände friedlich zu verlassen. In den frühen Morgenstunden unternahmen die Sicherheitskräfte einen Versuch, auf das Gelände vorzudringen und machten auch Festnahmen. Die Aktivisten hätten aber ein großes Feuer entzündet, um die Polizei abzuwehren, berichtete die „South China Morning Post“. Einem Teil der Demonstranten sei es später gelungen, das Gelände zu verlassen und zu flüchten.

Nach Vermittlung der Hochschulleitung hätten am Vormittag weitere 70 bis 100 Studenten versucht, die Universität zu verlassen, seien aber wieder in das Gebäude geflüchtet, weil die Polizei Tränengas eingesetzt habe, berichtete die Studentenvereinigung. „Die Konfrontation ist vorerst ausgesetzt“, sagte der demokratische Abgeordnete Ted Hui, der seit Sonntag mit den Studenten ausharrte, der „South China Morning Post“. „Die Polizei kann nicht reinkommen, aber die Demonstranten können auch nicht raus.“

Das Geschehen verlagerte sich am Montag auf die Straßen des westlich von der Universität liegenden Stadtviertels Tsim Sha Tsui. Ein Großaufgebot von Polizisten ging mit Tränengas und Schlagstöcken gegen radikale Aktivisten vor, die neue Straßenbarrikaden bauten und mit Steinen warfen. Es gab Dutzende Festnahmen.

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