Pläne auf EU-Ebene Kramp-Karrenbauer startet Initiative für schlagkräftige Eingreiftruppe

Brüssel · Künftig will Deutschland mit anderen EU-Ländern militärisch unabhängiger von den USA handeln können. Dafür bedarf es nach Ansicht Deutschlands und weiterer Staaten einer eigenen Einheit. Wie die aussehen soll, steht in einem Papier.

 Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU)

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU)

Foto: dpa/Virginia Mayo

Deutschland hat mit vier weiteren Staaten eine neue Initiative für den Aufbau einer schnellen militärischen Eingreiftruppe der EU gestartet. Das am Donnerstag, 21. Oktober,  bekannt gewordene Konzept sieht vor, die bereits existierenden EU-Battlegroups zu schlagkräftigen und kurzfristig einsetzbaren Krisenreaktionskräften weiterzuentwickeln. Dazu sollen auch Weltraum- und Cyber-Fähigkeiten sowie Spezialeinsatzkräfte und strategische Lufttransportkapazitäten bereitgestellt werden.

„Die jüngsten Ereignisse in Af­ghanistan haben erneut gezeigt, dass die EU in der Lage sein muss, (...) robust und zügig zu handeln“, heißt es in dem Konzept, das von Deutschland, den Niederlanden, Portugal, Finnland und Slowenien vorgelegt wurde. Dazu sei es notwendig, die „Verfügbarkeit, Bereitschaft, Einsatzfähigkeit und Kompetenz der Streitkräfte zu verbessern“ und „militärische Kooperationsformate unter den EU-Mitgliedstaaten besser zu nutzen“.

Konkret schlagen die fünf Länder dazu auch vor, über den bislang noch nie genutzten Artikel 44 des EU-Vertrags Einsätze von „Koalitionen von Willigen“ zu ermöglichen. Dies würde insgesamt mehr Flexibilität sowie einen modularen Ansatz für das Krisenmanagement der EU ermöglichen und könnte die Handlungsfähigkeit der EU erhöhen, heißt es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zudem sollten bereits existierende regionale Kooperationen besser genutzt werden.

Nach Angaben von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer fielen die Reaktionen anderer EU-Staaten auf das Konzept „sehr, sehr positiv“ aus. Man sei sich einig, dass die Ideen in den sogenannten strategischen Kompass Eingang finden sollten, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag nach informellen Gesprächen zum Thema in Brüssel. Über ihn will die EU bis zum Frühjahr kommenden Jahres festlegen, welche Fähigkeiten sie im Bereich des Krisenmanagements braucht.

Zur Gesamtstärke der Eingreiftruppe werden in dem Konzeptpapier keine konkreten Angaben gemacht. Lediglich zu der dafür vorgesehenen Landstreitkräfteeinheit heißt es, sie solle die Größe einer Brigade erreichen können – das könnten damit rund 5000 Soldaten sein.

Das bisherige EU-Battle­group-Konzept sieht vor, dass ständig zwei Einheiten mit im Kern jeweils rund 1500 Soldaten bereitgehalten werden, die alle sechs Monate wechselnd von unterschiedlichen EU-Staaten zur Verfügung gestellt werden. Zuletzt hatte es allerdings immer wieder Probleme gegeben, genügend Truppen zusammenzubekommen. So gibt es derzeit beispielsweise nur eine Battlegroup. Zum Einsatz kamen die EU-Kräfte noch nie.

Diskussionen über den Aufbau einer neuen Eingreiftruppe gibt es in der EU bereits seit Längerem. Sie wurden zuletzt durch die militärische Abhängigkeit von den USA beim Evakuierungseinsatz in Afghanistan noch einmal befeuert. So soll die neue Truppe auf jeden Fall so stark sein, dass sie theoretisch einen Militäreinsatz wie den der Amerikaner zur Sicherung des Flughafens in Kabul übernehmen könnte.

Die Vereinigten Staaten hatten nach der Machtübernahme der Taliban Mitte August mit rund 6000 US-Soldaten Evakuierungsflüge ermöglicht. Wegen ihres Abzugs mussten die Europäer dann allerdings ihre Rettungsflüge für schutzbedürftige Menschen früher als eigentlich gewünscht einstellen.

Ob die an den Koalitionsverhandlungen in Deutschland beteiligten Grünen und die FDP das Konzept der noch amtierenden Bundesregierung aus Union und SPD gutheißen, blieb am Donnerstag zunächst unklar. Ebenso offen war, wie der Plan von Nato-Partnern wie den USA, Kanada oder der Türkei gesehen wird.

Deutliche Kritik kam von den Linken. Aus dem Desaster in Afghanistan würden die völlig falschen Schlussfolgerungen gezogen, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Tobias Pflüger. Das Problem sei gewesen, dass dort versucht worden sei, „mit militärischen Mitteln ein Land zu „demokratisieren““. Die EU brauche keine neue Eingreiftruppe, sondern sollte ein ziviles Bündnis sein.

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