100 Tage Ibiza-Video Strache hat noch nicht genug

Wien · Vor hundert Tagen hat ein Ibiza-Video über den damaligen FPÖ-Chef Österreichs politische Landschaft erschüttert. Nun scheint sein Comeback möglich.

  Der Screenshot aus dem Ibiza-Video zeigt Österreichs damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache (rechts) am 24. Juli 2017 im Gespräch mit einer angeblichen russischen Oligarchin (nicht im Bild).

Der Screenshot aus dem Ibiza-Video zeigt Österreichs damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache (rechts) am 24. Juli 2017 im Gespräch mit einer angeblichen russischen Oligarchin (nicht im Bild).

Foto: dpa/-

Heinz-Christian Strache mag Ibiza immer noch. Auch diesen Sommer machte der österreichische Ex-Vizekanzler von der rechtspopulistischen FPÖ auf der Mittelmeerinsel Urlaub – alles wie immer, seit 17 Jahren entspannt er sich dort. „Ich habe dort an niemanden etwas zu verkaufen gehabt“, behauptete Strache kürzlich in seinem ersten Fernseh-Interview seit der Ibiza-Affäre, das er ausgerechnet dem deutschen Ableger von RT (ehemals Russia Today) gab. „Ich habe nichts Unredliches angeboten“, so Strache. Vielmehr sei das Video manipulativ zusammengeschnitten und seine Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen worden.

Die Affäre begann vor rund 100 Tagen, am Abend des 17. Mai. Der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung veröffentlichten einen wenige Minuten langen Zusammenschnitt aus vielen Stunden Videomaterial einer verhängnisvollen Nacht auf Ibiza. Hauptdarsteller: HC Strache, damals FPÖ-Chef, mitten im Wahlkampf und auf dem besten Weg zu einem für die Partei sehr guten Wahlergebnis. Mit einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte spricht er über möglicherweise illegale Spenden an parteinahe Vereine, über Staatsaufträge, die er ihr zuschanzen würde.

Und auch darüber, dass die vermeintliche Russin gerne bei der in Österreich sehr einflussreichen Kronen-Zeitung einsteigen sollte, um die FPÖ zu unterstützen. Das Blatt hat laut Media-Analyse in Österreich eine Reichweite von 27,2 Prozent. Wer es auf seiner Seite hat, darf sich für gewöhnlich über ein gutes Wahlergebnis freuen. Das ist der Köder – und Strache beißt an. Sein „zack, zack, zack“ ist in Österreich zum geflügelten Wort geworden.

Gedreht wurde das Video, eine lange geplante Falle für Strache und seinen ebenfalls anwesenden Parteifreund Johann Gudenus, im Sommer 2017. Wieso es dann so lange bis zur Veröffentlichung dauerte, ist eine der offenen Fragen bei diesem Thema. Fakt ist: Die Veröffentlichung löste ein politisches Beben aus. Nach Straches Rücktritt zerbrach die gesamte Regierung, letztlich konnte sich auch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nicht im Amt halten. Am 29. September stehen Neuwahlen an.

Seit der Veröffentlichung wurde in Österreich viel über parteinahe Vereine diskutiert, die Gesetze für Parteispenden wurden zudem deutlich verschärft. In den vergangenen Tagen bekam die Affäre dann neuen Schwung, als Straches Haus durchsucht wurde. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob die FPÖ und ein Glücksspielunternehmen einen Deal vereinbart haben: Ein FPÖ-Mann soll demnach einen Vorstandsposten im Gegenzug für Glücksspiellizenzen für das Unternehmen bekommen haben.

Straches politische Karriere ist dennoch wohl noch nicht am Ende. „Ich glaube, die FPÖ ist so opportunistisch und so stimmengeil, dass sie die propagierten Werte verraten werden und Strache 2020 bei der Landtagswahl in Wien wieder kandidieren wird“, sagt Florian Klenk, Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Falter. Der designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer ist zu seinem Vorgänger inzwischen sehr auf Distanz gegangen. Ein Polit-Comeback Straches sei für ihn ausgeschlossen, solange die Ermittlungen nicht eingestellt seien oder ein Verfahren in einem Freispruch geendet habe, sagte er jüngst.

Derzeit steht die Partei in Umfragen bei 18 bis 20 Prozent. Das wäre zwar deutlich weniger als die 26 Prozent bei der Wahl 2017, aber sicher keine Klatsche, wie man sie direkt nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos hätte erwarten können. „Vermutlich reißt Strache die ganze FPÖ mit in den Abgrund“, schrieb der Kurier am 19. Mai – und liegt damit wohl daneben. Klenk hält es auch nicht für ausgeschlossen, dass die ÖVP von Sebastian Kurz und die FPÖ nach der Wahl erneut eine Koalition schmieden werden. Der designierte FPÖ-Chef Hofer hat das sogar als einzige Koalitionsoption für seine Partei ausgerufen. Wer hätte das am 17. Mai um 18 Uhr gedacht?

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort