„Aus Liebe zu Deutschland“

Berlin · Der Bundespräsident ist deutlich: Deutschland braucht Einwanderung. Und Offenheit. Gauck sieht das Land auf dem richtigen Weg. Probleme gebe es auch – aber da gelte das Gesetz, und vor dem seien alle gleich.

Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ist nicht frei von bürokratischen Hürden. Er kann aber auch eine durchaus emotionale Angelegenheit sein, und das gefällt dem Bundespräsidenten. 23 Neu-Deutsche erhalten bei einem Festakt im Schloss Bellevue ihre Einbürgerungsurkunden, und Joachim Gauck erzählt von einem Fall, der ihm besonders zu Herzen ging. Ausgerechnet am Valentinstag habe Gustave Franck Tchere aus Düsseldorf seinen Antrag gestellt - "aus Liebe zu Deutschland". So soll es sein, meint Gauck, und wünscht sich "mehr davon".

Deutlicher als je zuvor plädiert der Bundespräsident beim gestrigen Staatsakt für mehr Zuwanderung und für mehr Toleranz der Deutschen gegenüber ihren neuen Mitbürgern. Aber er sagt auch, dass für ein gedeihliches Miteinander beide Seiten gefordert seien: Alt- und Neubürger. "Ich wünsche mir einen Alltag, in dem wir das selbstverständlich Eigene achten - und dem Anderen selbstverständlich Raum geben."

Deutschland sei aber auf dem richtigen Weg: "Es gibt ein neues deutsches Wir, die Einheit der Verschiedenen. Und dazu gehören Sie genauso selbstverständlich wie ich." Die Ansicht, Deutschland sei kein Einwanderungsland, "ist weitgehend überwunden - zum Glück", sagt der Bundespräsident. "In den vergangenen 15 Jahren ist vieles angestoßen worden, was längst überfällig war." Als Wendepunkt nennt er dabei die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts von 1999.

Mehrmals fällt das Wort "Bereicherung": Das Miteinander verschiedener Kulturen habe Deutschland viele positive Erfahrungen gebracht, habe das Land verändert. Ausdrücklich lobt Gauck den Doppelpass, der von der großen Koalition auf den Weg gebracht wurde. "Unser Land lernt gerade, dass Menschen sich mit verschiedenen Ländern verbunden und trotzdem in diesem, unserem Land zu Hause fühlen können."

Negative Seiten der Einwanderung gibt es auch. Gauck nennt Jugendkriminalität, Ghettobildung, Sozialhilfekarrieren, Schulschwänzer. Dazu sagt er: "Auf viele Probleme gibt es klare Antworten. Diese Antworten sind auch nicht verhandelbar, denn sie finden sich im Gesetz." Und das gelte für jeden. Es könne keine mildernden Umstände geben "für kulturelle Eigenarten, die unseren Gesetzen zuwiderlaufen".

Gauck hat seit Beginn seiner Amtszeit im März 2012 immer wieder das Thema Integration und Toleranz angesprochen, allerdings vermissten manche noch den großen Wurf. Nicht vergessen ist, dass er sich von dem einen Satz distanziert hatte, mit dem sein Vorgänger Christian Wulff in Erinnerung bleibt und in der türkischen Gemeinde Heldenstatus genießt. Dass der Islam inzwischen zu Deutschland gehöre, das wolle er so nicht übernehmen, hatte Gauck gesagt. Frühere Äußerungen über den populistischen Autor Thilo Sarrazin ("Deutschland schafft sich ab"), dem er "Mut" bescheinigt hatte, hat er bereits als Fehler bezeichnet. Deshalb war die klare Botschaft vielleicht notwendig: Wir sind ein Einwanderungsland, wir haben uns verändert, wir haben "Respekt vor Andersdenkenden und Anderslebenden".

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