Aus für die freie Fahrt?

Ist jetzt mit einer Klagewelle gegen Großstädte zu rechnen, die noch keinen Aktionsplan zur Luftreinhaltung haben?Antwort: Ja, zumal Umweltverbände bereits Musterklagen vorbereiten, um die Großstädte zu zwingen, endlich Maßnahmen gegen dicke Luft zu erlassen. Bei der Deutschen Umwelt-Hilfe geht man davon aus, dass vor allem große Kommunen schnell Umweltzonen einrichten

 Brüssel sagt dem Feinstaub den Kampf an. Foto: dpa

Brüssel sagt dem Feinstaub den Kampf an. Foto: dpa

Ist jetzt mit einer Klagewelle gegen Großstädte zu rechnen, die noch keinen Aktionsplan zur Luftreinhaltung haben?

Antwort: Ja, zumal Umweltverbände bereits Musterklagen vorbereiten, um die Großstädte zu zwingen, endlich Maßnahmen gegen dicke Luft zu erlassen. Bei der Deutschen Umwelt-Hilfe geht man davon aus, dass vor allem große Kommunen schnell Umweltzonen einrichten. Bereits in einem Jahr dürften viele Innenstädte nur noch mit Autos zu befahren sein, die eine gelbe oder grüne Umweltplakette haben.

Kann ein Bürger zum Beispiel verlangen, dass die Straße vor seinem Haus gesperrt wird?

Antwort: Die EU-Richter sagen dazu ein klares "Nein". Der Kläger kann lediglich verlangen, dass ein Luftreinehaltplan erstellt wird. Auf die konkreten Maßnahmen - also zum Beispiel Fahrverbote - hat er keinen Einfluss. Das deutsche Recht gibt dem Bürger sehr viel mehr Möglichkeiten. Es sieht nämlich vor, dass zum Beispiel ein Lkw-Fahrverbot für bestimmte Straßen einforderbar ist. Experten warnen übrigens vor Übereifer, weil eine Klage nach hinten losgehen kann. Die Städte könnten nämlich beispielsweise auch die Hausbesitzer in die Pflicht nehmen und ihnen den Einbau neuer, umweltfreundlicher Heizungsanlagen vorschreiben.

Kann jeder Bürger klagen?

Antwort: Ja, wenn er von hoher Feinstaub-Belastung betroffen ist. Nach Einschätzung der EU-Kommission wird dies im Wesentlichen für Einwohner von Ballungsräumen zutreffen. Infrage kämen allerdings auch Anwohner von besonders stark frequentierten Straßen, die unter erhöhter Feinstaub-Belastung leiden.

Bringen Umweltzonen etwas?

Antwort: Experten des Institutes der deutschen Wirtschaft sind sich ebenso wie die Fachleute beim Städte und Gemeindebund sicher: Der Umwelt-Effekt ist gering. Die Sperrzonen sind vergleichsweise klein, der Feinstaub aber zieht großflächig durch ganze Bereiche der Städte. Er wird nicht verhindert, sondern anders verteilt. Derzeit gibt es Umweltzonen in 13 deutschen Städten. 23 weitere Kommunen planen dies.

Ist die Feinstaub-Richtlinie der EU das letzte Wort?

Antwort: Nein. Und es wäre geradezu fatal, wenn es jetzt zu einer Klagewelle kommen würde, ohne absehbare Nachbesserungen zu berücksichtigen. Mit der Neufassung werden Kommunen gezwungen, Pläne zur Luftreinhaltung zu erstellen. Tun sie es nicht, müssen sie ab 2010 mit Sanktionen rechnen.

Meinung

Dicke Luft

aus Brüssel

Von SZ-Korrespondent

Detlef Drewes

Das Recht auf saubere Luft steht jedem zu. Mit diesem Urteil hat der Europäische Gerichtshofes die deutschen Kommunen ins Chaos gestürzt. Jetzt werden Klagewellen gegen alle Stadtväter anrollen, die einen Aktionsplan für saubere Luft verschlafen haben. Das Ergebnis ist klar: Es wird Fahrverbote hageln - zumindest für die Besitzer älterer Fahrzeuge. Und es wird weitere Auflagen geben - für Hausbesitzer, Industrie-Anlagen, Lkw. Doch bringt der Aufwand etwas? Die EU hat inzwischen verstanden, dass im Kampf gegen Smog weder Umweltzonen noch Fahrverbote erfolgreich sind. Feinstaub muss man vermeiden, nicht umverteilen. Das verhindert aber niemand Geringerer als die EU-Kommission. Erst nach Jahren hat man jetzt die neuen Euro-VI-Grenzwerte für Lkw festgelegt. Auf Vorgaben für Industrie und Hausbrand warten alle seit Jahren. So wird es jetzt einmal mehr zu viel Aktionismus ohne Entlastung kommen. Und der Feinstaub kann den Menschen weiter schaden.

 Brüssel sagt dem Feinstaub den Kampf an. Foto: dpa

Brüssel sagt dem Feinstaub den Kampf an. Foto: dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort