Auge in Auge mit dem unbeliebten Präsidenten

Schon beim Fototermin im "Oval Office", die einst von Barack Obama in den Keller verbannte und von Donald Trump wieder aufgestellte Churchill-Büste in der Mitte, bemühen sich der US-Präsident und Theresa May um ausgesuchte Freundlichkeiten. "Sehr erfreut", sagt der Gast aus Großbritannien, die erste internationale Regierungschefin im Weißen Haus seit dem Amtsantritt des "America First"-Isolationisten.

Es ist ein Treffen, das weltweit mit großer Spannung verfolgt wird. Und es ist der erste Auge in-Auge Test des so undiplomatischen Trump, der noch am Vortag das Verhältnis zu Mexiko per Twitter in Trümmer gelegt hat und gestern bei einem Telefonat mit Präsident Nieto erste Reparaturversuche unternahm.

Nun, beim Händeschütteln mit der Konservativen May, fühlt sich der so heftig kritisierte Mauer-Bauer nach eigenen Worten "sehr geehrt" und betonte zuvor auch schon: "Es ist eine große Ehre, Winston Churchill wieder hier zu haben." Doch spiegeln diese protokollarischen Nettigkeiten auch das Klima während des knapp einstündigen Gesprächs wieder, das beide führten? Das Duo gibt sich bei der nur 18 Minuten langen folgenden Pressekonferenz keine Blöße. May spricht diplomatisch routiniert von der "tiefen Verbindung", der "besonderen Beziehung" und von "offenen Diskussionen", die gezeigt hätten, dass man sich in "vielen Punkten" einig sei. Wo es kracht, bleibt erst einmal offen.

May widerspricht auch nicht der provokanten und erstmals im Weißen Haus öffentlich vorgetragenen These Trumps, dass Folter wirksam sei, aber er seinen Verteidigungsminister darüber entscheiden lassen werde. Und die Sorge, dass Trump schon bald die Russland-Sanktionen der USA aufheben könnte? May schlägt hier schon einmal einen Pfosten ein: Großbritannien wolle das Minsker Abkommen erst einmal voll umgesetzt sehen. Der vorsichtig wirkende Trump, der heute mit Putin, Merkel und Hollande telefonieren will, weicht hingegen aus: "Wir werden sehen, was passiert. Es ist noch zu früh. Wir wollen eine großartige Beziehung zu Russland. Aber es gibt ja keine Garantien." Beide Politiker sind Produkte eines Aufstands gegen das Establishment in ihren jeweiligen Ländern und doch so ganz unterschiedlich - wie beim Blick auf die NATO. Doch als May gestern plötzlich versichert, auch Trump stehe ,,100 Prozent hinter der NATO", gibt es vom zuvor kritischen US-Präsidenten keinen erkennbaren Widerspruch. May hatte schon vor dem Treffen Trump, der seinen überraschenden Wahlsieg immer mit dem ebenso unerwarteten "Brexit"-Votum gleichgesetzt hat, ermahnt: Die Vereinigten Staaten und Großbritannien hätten die gemeinsame Verantwortung, der Welt Führung anzubieten - aber ohne eine Intervention in souveräne Staaten.

Die Britin, die Trump Marmelade, Apfelsaft und überraschend auch eine Einladung für einen Staatsbesuch bei der Queen als Geschenke präsentiert, hatte deshalb eine heikle Mission bei einem unberechenbaren Präsidenten. Der nimmt die Einladung der Queen prompt an. Großbritannien braucht die USA unbedingt als starken Partner, wenn der Ausstieg aus der Europäischen Union erst einmal in der Praxis vollzogen ist. In diesem Punkt gibt es für London nun allerdings auch gute Nachrichten: Man will die Grundlagen für ein bilaterales Handelsabkommen schnell legen, um "den Wohlstand zu vergrößern" (May). Trump, der stets schon in seinem Wahlkampf "Jobs, Jobs, Jobs" gepredigt hat, kann da bei seinem diplomatischen Debüt nur zustimmen und sagt zu der britischen Politikerin: Der Brexit werde "wunderbar für ihr Land".

"Gegensätze ziehen sich bekanntlich an", hatte May zuvor noch auf dem Flug in die USA gescherzt. Gut sichtbar waren solche Gegensätze gestern jedenfalls bei der Harmonie-Show erst einmal nicht.

Meinung:

Wie eine Herde im Porzellanladen

Von SZ-Mitarbeiter Friedemann Diederichs

In der amerikanischen Geschichte gibt es kein anderes Beispiel eines so egomanisch wie unkoordiniert wirkenden Präsidenten, der ähnlich viel Porzellan in einer ähnlich kurzen Zeit zerschlagen hat. Der Mauer-Bauer und Isolationist Donald Trump ist kein Elefant im Porzellanladen der nationalen und internationalen Diplomatie, er ist eine ganze Elefantenherde. Noch immer scheint der Anti-Politiker im Wahlkampf-Modus zu sein. Vergaß der Regent die Mahnung seines weisen Vorgängers, das Regieren werde eine gehörige Umstellung sein? Vergaß er, dass es Prioritäten gibt und Dinge, die für das Wohlsein der Nation keine Relevanz haben - wie die Besucherzahlen bei seiner Amtseinführung? Die "besten" Berater und das "großartigste" Kabinett scheinen keine Überzeugungskraft zu besitzen. Stattdessen twittert sich Trump von Hofschranzen umgeben unredigiert in die Lächerlichkeit. Doch ernst nehmen muss man ihn weiter. Zuviel Macht kommt mit dem Amt - leider. Theresa May wird den Europäern nach ihrem Besuch einen ersten Eindruck vermitteln können, was Amerikas Wutwähler angerichtet haben.

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