Atomausstieg rückt näher

Berlin/Saarbrücken. Das Regierungsviertel steht an diesem Wochenende unter Hochspannung. Am Sonntag kommt der Koalitionsausschuss von Union und FDP zusammen, um die Energiewende und den Atomausstieg zu beraten

Berlin/Saarbrücken. Das Regierungsviertel steht an diesem Wochenende unter Hochspannung. Am Sonntag kommt der Koalitionsausschuss von Union und FDP zusammen, um die Energiewende und den Atomausstieg zu beraten. Dem Vernehmen nach will Kanzlerin Angela Merkel bei Gesprächen am Samstag und in kleiner Runde direkt vor dem Treffen des Ausschusses versuchen, Streit innerhalb der Koalition etwa um die Revisionsklausel für den Ausstieg oder die Brennelementesteuer zu beenden. Zugleich rückt auch die Frage der Sicherheit der Bevölkerung bei einem Atomunfall wieder in den Vordergrund. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sieht offenbar Handlungsbedarf beim Katastrophenschutz. Das geht aus einer Antwort des Bundesumweltministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervor, die unserer Zeitung vorliegt. Demnach hat das Umweltministerium bereits im April im Notfallausschuss der Strahlenschutzkommission angekündigt, "alle einschlägigen Regelungen" zum Notfallschutz "einer kritischen Prüfung" zu unterziehen. Dazu gehörten auch die "Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen", heißt es in dem Papier. Auch der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Christoph Unger, mahnt dringend Änderungen an. "Angesichts der Erfahrungen von Fukushima bedürfen die Katastrophenszenarien der Überprüfung", sagte Unger unserer Zeitung. Fukushima habe gezeigt, dass eine Evakuierung in einem Radius von zehn Kilometern "zu wenig ist".Derweil wurden mit Blick auf den Koalitionsausschuss gestern in Berlin immer neue Details zur geplanten Energiewende gestreut. Zahlreiche Papiere kursierten, zum Beispiel eines der Unionsfraktion zur Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien sowie ein Forderungskatalog der FDP für die Beratungen zum Netzausbau und dem beschleunigten Planungsverfahren. Aus Koalitionskreisen hieß es, man werde für jedes Kraftwerk ein Ausstiegsdatum festlegen. Im Gegenzug werde es aber keine Revisionsklausel geben - und die Atomsteuer zulasten der Konzerne bleibe auch bestehen.

Die sieben ältesten, derzeit abgeschalteten Atomkraftwerke werden vermutlich nicht wieder ans Netz gehen. Darauf einigte sich die in Wernigerode tagende Umweltministerkonferenz. Ein konkretes Ausstiegsdatum soll der Bund festlegen.

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller und seine designierte Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) sprachen sich derweil für eine beschleunigte Energiewende aus. Müller bezeichnete die Laufzeitverlängerung für deutsche AKW als "falsch", Kramp-Karrenbauer sprach von einem "Fehler".

Meinung

Kanzlerin

unter Druck

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß

Dass die Umweltminister gestern das Aus für die sieben bereits abgeschalteten Meiler beschlossen haben, ist keine Überraschung. In Berlin pfiffen es die Koalitionsspatzen schon lange von den Dächern, dass die alten Kernkraftwerke vom Netz bleiben müssen, um die gesamte Energiewende nicht ad absurdum zu führen.

Denn darum geht es ja - um Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Beides ist in erheblichem Maße verloren gegangen, nachdem die Koalition im Herbst die Laufzeitverlängerung für die AKW als Revolution pries, um im März nach Fukushima die Energiewende anzukündigen, ohne den Fehler der verlängerten Laufzeiten einzugestehen. Kanzlerin und die Koalition stehen jetzt unter erheblichem Druck: Die Energiewende muss konsequent sein, sie muss Verbrauchern und Wirtschaft nutzen, nicht schaden, und sie soll im Konsens erfolgen.

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