Athen wieder in der Zwickmühle

Brüssel · Griechenland braucht dringend die nächste Rate aus dem Hilfspaket. Doch neues Geld gibt es nur, wenn die Kontrolleure einen positiven Bericht abgeben. Allerdings stockt ausgerechnet das wichtigste Reformvorhaben.

Als Klaus Regling am späten Donnerstagabend einen Ausblick über die Entwicklung in Griechenland wagte, wählte er überraschend deutliche Worte: "Die Liquiditätslage wird in den nächsten Monaten angespannter werden", sagte der Chef des ESM-Rettungsschirms. Er drückte damit aus, was auch die Finanzminister der Währungsunion und die EU-Kassenwarte registrieren mussten: Ausgerechnet das wichtigste Vorhaben, zu dem sich die Athener Regierung verpflichtet hat, ist ins Stocken geraten - die Rentenreform.

Um durchschnittlich 15 Prozent will Premier Alexis Tsipras alle neuen Ruhestandbezüge kürzen. Außerdem sollen die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge für die Altersvorsorge angehoben werden. Seit Tagen protestieren die Rechtsanwälte in Griechenland gegen das Vorhaben, indem sie ihre Arbeit niederlegen. Doch das ist alles nichts gegen das, was an diesem Wochenende befürchtet wird, wenn Ärzte, Apotheker, Ingenieure sowie Landwirte auf die Straße gehen, die künftig statt sieben 20 Prozent ihres Einkommens abführen sollen. Dabei wäre die schon für Oktober zugesagte, wegen der Neuwahl aber verschobene Rentenreform so etwas wie der "Schlüssel, um zu beweisen, dass Griechenland es mit seinen Reformen ernst meint", sagte die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde , in Brüssel .

Athen befindet sich in einer Zwickmühle. In den kommenden Monaten werden Verbindlichkeiten von vier Milliarden Euro fällig, für die die Hellenen die nächste Rate über 5,5 Milliarden Euro aus dem dritten Hilfspaket dringend brauchen. Das Geld fließt aber nur, wenn die Kontrolleure der sogenannten Quadriga (EU-Kommission, Europäische Zentralbank , IWF und ESM) ihren lange überfälligen Prüfbericht abliefern. Sie wollen angeblich am Montag nach Athen reisen. Ob sie mit einem positiven Zwischenbericht heimkehren, ist offen. Der wäre aber nötig, um einen weiteren Knoten zu lösen: die künftige Beteiligung des IWF. Der hatte sich zunächst aus dem dritten Hilfspaket herausgehalten. Immerhin räumte der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos jetzt in Brüssel ein, Athen habe seine Bedenken gegen eine Beteiligung des Fonds aufgegeben. Doch der IWF zögert, fordert ausgerechnet die politisch schwer durchsetzbare Rentenreform als "Beweis für die Verbesserung der ökonomischen Bilanz".

Die sieht weiter düster aus: Athens Schuldenstand dürfte ohne Erfolge der Reformpolitik in diesem Jahr bis zu 200 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen. "Wir haben jedes Interesse daran, Griechenland auf seinem Weg zu helfen", bekräftigte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nach den Brüsseler Sitzungen. Und auch Tsakalotos bestätigte, die Euro-Familie strebe "Lösungen an, nicht Probleme". Der Ball liegt somit - wieder einmal - bei den Griechen, die eine Rentenreform zustande bringen müssen, für die es weder im Volk noch im Parlament eine Mehrheit gibt.

Meinung:

BremserTsipras

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes

Eigentlich sollte Alexis Tsipras inzwischen verstanden haben, dass sich Strategien zum Umgehen der scharfen Reformauflagen nicht auszahlen. Dass der Premier seinem Volk eine Rentenreform verordnen muss, war klar - nicht erst seit dem Ringen um das dritte Hilfspaket. Dabei ist seine Scheu, derart radikale Einschnitte in die staatliche Altersvorsorge vorzunehmen, ebenso verständlich wie die Betroffenheit der Rentner, die ohnehin nur wenig bekommen und künftig mit noch weniger leben sollen. Aber das richtige Rezept gegen diese Zumutung heißt nicht Protest oder Widerstand, sondern zügiges Umsetzen der notwendigen Einschnitte, damit Investitionen ins Land kommen. Doch bisher gibt sich Tsipras immer noch als Ministerpräsident, der die Umbauten gegen den eigenen Widerstand vornimmt. Anstatt sich selbst einen Ruck zu geben und den Griechen Optimismus vorzuleben, den sie brauchen, um diese Krise durchzustehen.

Zum Thema:

HintergrundDie Griechen sollen bald wieder mehr Bargeld abheben können. Das Finanzministerium plane eine Lockerung der Kontrollen und eine Erhöhung des wöchentlichen Betrags auf 500 Euro, berichtete der TV-Sender Skai. Seit Juni 2015 können die Bürger pro Woche nur 420 Euro Bargeld abheben. Damals war wegen der Diskussion um den Grexit ein Run auf die Banken und damit deren Kollaps befürchtet worden. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort