„Antiquitäten, Drogen und Waffen“

Der „Islamische Staat“ mordet weiter. Jetzt sollen die Terroristen im Irak 185 gefangene Soldaten hingerichtet haben. Der Westen kann die Gräuel des IS nur stoppen, wenn sie dessen Geldquellen austrocknet, sagt Louise Shelley (63). Wie, erklärt die in den USA lehrende Terrorexpertin im Gespräch mit SZ-Korrespondent Hagen Strauß.

Frau Shelley, ist der Islam nur ein Feigenblatt für den IS?

Shelley: So weit würde ich nicht gehen. Aber es greift in der Tat zu kurz, nur auf die religiöse oder politische Ideologie des IS zu blicken. Die Grenzen zwischen Korruption , organisierter Kriminalität und Terrorismus sind bei dieser Organisation fließend.

Der IS finanziert sich vor allem über Öl, hat aber die Kontrolle über viele Ölfelder wieder verloren. Ist das der Anfang vom Ende?

Shelley: Nein, der IS ist nicht am Ende. Alle sprechen auch immer vom Öl, aber die Organisation hat viele Geldquellen: Antiquitäten, Drogenhandel, Waffen, illegaler Zigarettenhandel. Hinzu kommen Schutzgelder, Steuern oder Einnahmen aus Handel in den eroberten Gebieten. Dieser Faktor wächst, je mehr Territorium der IS beherrscht. Die Fokussierung auf Öl wirkt deshalb wie die falsche Behandlung einer Krankheit.

Wie können die Geldquellen des IS trockengelegt werden?

Shelley: Man muss wissen: Womit der IS sein Geld verdient, wird oft auf legalen Märkten verkauft. Das bedeutet, wir müssen die Lieferströme und -wege der Terroristen stärker in den Blick nehmen. Hier müssen wir ansetzen. Auch darf man dem IS die Terrorfinanzierung nicht erleichtern.

Was meinen Sie damit konkret?

Shelley: Wenn es beispielsweise bei Zigaretten nur noch Einheitsverpackungen gibt, wird das Fälschen leichter. Ohnehin ist das ja bedenklich, wir hatten schließlich gerade den weltweiten Tag des geistigen Eigentums. Aber dadurch wird mehr geschmuggelt. Das macht es schwieriger, die Finanzquellen für Terrorismus zurückzuverfolgen oder herauszufinden, wohin das Geld fließt.

Gibt es aus Ihrer Sicht eine Verstrickung des IS mit der Wirtschaft?

Shelley: Die schlimmste Verstrickung ist die des Terrorismus mit der Korruption . Die Korruption ist die Grundlage für alles. Sie sorgt für die Geschäfte , mit denen die Verbrechen finanziert und ermöglicht werden. Der IS muss schließlich auch die vielen Kämpfer bezahlen, die ja leider auch aus Deutschland kommen.

Reicht der militärische Ansatz im Kampf gegen den IS?

Shelley: Nein. Der Ansatz muss breiter angelegt werden, um auch die Wirtschaftsstrukturen der Terroristen zu zerstören. Das heißt, wie beim Kampf gegen die Geldwäsche haben auch die Unternehmen weltweit eine Sorgfaltspflicht. Vor allem die, die im Öl-, im Antiquitätenhandel oder im Tabakbereich tätig sind. Sie müssen sicher sein, dass sie nicht mit zwielichtigen Partnern handeln. International spricht man hier übrigens von "Know your Customer", also "Kenne deinen Kunden".

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