Anschlag auf das Herz der Demokratie?Al Qaida feiert finanziellen Schaden durch Paketbomben

Berlin. Der "Gotteskrieger" meldete sich per Telefon beim Bundeskriminalamt. Ein Terrorkommando plane den Sturm auf den Reichstag - und damit einen Anschlag ins Herz der Demokratie. Zwei Terroristen seien bereits in Berlin, andere warteten im Ausland auf die Abreise. Schon zwei Wochen zuvor hatten Hinweise der US-Bundespolizei FBI die Fahnder alarmiert

Berlin. Der "Gotteskrieger" meldete sich per Telefon beim Bundeskriminalamt. Ein Terrorkommando plane den Sturm auf den Reichstag - und damit einen Anschlag ins Herz der Demokratie. Zwei Terroristen seien bereits in Berlin, andere warteten im Ausland auf die Abreise. Schon zwei Wochen zuvor hatten Hinweise der US-Bundespolizei FBI die Fahnder alarmiert. Eine schiitisch-indische Terrorgruppe, die mit Al Qaida paktiere, sei in große deutsche Städte unterwegs - die Visa schon in der Tasche. Als zentraler Termin für die Reisepläne wird hier der 22. November genannt - also heute.Doch wohl niemand kann sagen, ob es die Pläne tatsächlich gibt und wenn ja, wie weit sie fortgeschritten sind. Oder ob es sich nur um Horrorszenarien handelt, die von so genannten Gotteskriegern in die Welt gesetzt werden, um den verhassten Westen in Angst und Schrecken zu versetzen. Die deutschen Anti-Terror-Fahnder versuchen mit aller Kraft, die Info-Schnipsel wie in einem Puzzlespiel zu einem plausiblen Lagebild zusammenzufügen. Nur eines ist klar: Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und die Sicherheitsbehörden nehmen die Informationen aus der Welt des Terrors ernst. So ernst, dass de Maizière am vergangenen Mittwoch seine Zurückhaltung aufgab, von konkreten Erkenntnissen über einen Ende November bevorstehenden Anschlag berichtete und die Terrororganisation Al Qaida nannte. "Es gibt Grund zur Sorge, aber keinen Grund zur Hysterie", setzte er hinzu. Auch werde es stärkere Kontrollen an den Grenzen zu den Nachbarstaaten geben.BKA-Präsident erzürnt Seit diesem Wochenende sind die Hintergründe für den Kurswechsel bekannt. Der "Spiegel" und die ARD melden detailliert, was den Ermittlern vorliegt. Eine offizielle Bestätigung gibt es zwar nicht, doch aus Sicherheitsbehörden wird signalisiert: Die Berichte sind nicht falsch, solche Informationen liegen vor. Unklar sei aber deren Wahrheitsgehalt. Und es wird gewarnt, sich zu sehr auf konkrete Daten zu konzentrieren. BKA-Präsident Jörg Ziercke macht deutlich, dass ihm die detaillierten Medienberichte nicht passen. Verdeckte Ermittlungen und Quellen der Behörden könnten gefährdet werden, warnte er am Samstagabend bei einer schnell einberufenen Pressekonferenz. Im Klartext: Verdächtige sind gewarnt, der angebliche Dschihad-Aussteiger muss als Verräter um sein Leben fürchten.Schnell taucht die Frage auf, wer Interesse daran haben könnte, Erkenntnisse der Behörden öffentlich zu machen. In Sicherheitskreisen wird über internationale Quellen spekuliert oder über informationsfreudige deutsche Parlamentarier. Auch eine andere Version ist nicht ausgeschlossen: Bei früheren Fällen haben Ermittler auch schon Informationen an die Öffentlichkeit durchgestochen, um die Verdächtigen nervös zu machen.Unter Innenexperten im Parlament wird ein Anschlag auf den Bundestag derzeit als eher unwahrscheinlich eingeschätzt. Zwar könne ein symbolischer Schaden angerichtet werden. Aber mit einer Bombe könne wegen der hohen Sicherheitsvorkehrungen niemand in den Bundestag vordringen. Das Gebäude sei geschützt wie eine Festung. In Sicherheitskreisen ist man da nicht so sicher: Alle Hinweise müssten extrem ernst genommen werden, heißt es. Kanzlerin Angela Merkel spricht von einer realen Gefährdung durch den Terrorismus, ruft die Menschen aber auf, sich nicht verunsichern zu lassen. Auch Ziercke versucht, die Aufregung einzudämmen. Seine Behörde habe keine Informationen über konkrete Anschlagsorte oder Täter. Aber natürlich könnten "symbolträchtige Objekte in Deutschland insgesamt im Fokus stehen". Zur Hysterie bestehe jedoch kein Anlass, sagt er wie sein Chef de Maizière: "Ich gehe in jedem Fall mit meinen Kindern auf den Weihnachtsmarkt."Washington. Die Terrororganisation Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel hat den fehlgeschlagenen Terroranschlag mit zwei Paketbomben als großen Erfolg und Beispiel für eine neue Strategie gefeiert. Die Operation, die gerade mal 4200 Dollar (knapp 3000 Euro) gekostet habe, zwinge den Westen zu Milliardenausgaben für neue Sicherheitsmaßnahmen, heißt es in einer Erklärung der im Jemen beheimateten Zellen. Demnach seien die im Oktober in Dubai und Großbritannien abgefangenen Paketbomben Teil der "Operation Blutsturz" gewesen, die wiederum Teil einer neuen "Strategie der 1000 Schnitte" gewesen sei. Die Terroristen kündigten an, sie wollten ihre Erfahrungen mit Sprengstoff, der schwer zu entdecken sei, an Terroristen in anderen Ländern weitergeben. "Um Amerika in die Knie zu zwingen, müssen wir nicht groß zuschlagen", beschrieb der Al-Qaida-Ableger seine Strategie. "In einem Umfeld der Sicherheits-Phobie, die Amerika erfasst, . . . soll der Feind ausgeblutet werden." Entsprechend werde jetzt eine Strategie der wirtschaftlichen Schäden verfolgt, anstatt dem Westen wie bisher menschliche Verluste zuzufügen. Angesichts dieser Veröffentlichung zeigte sich der Leiter des auf die Auswertung von Terroristen-Botschaften spezialisierten IntelCenters, Ben Venzke, beeindruckt: "Wir haben noch nie erlebt, dass eine Dschihadisten-Gruppe in der Al-Qaida-Welt jemals eine derart genaue Darstellung ihrer Philosophie, des Einsatzverlaufs, ihrer Absichten und der nächsten Schritte veröffentlicht." dpa

HintergrundWenige Tage nach dem Fund einer vermeintlichen Kofferbombe mit Zielort Deutschland ist in Namibia der Chef der Flughafensicherheitspolizei festgenommen worden. Offenbar habe der Beamte die Bombenattrappe auf eigene Faust in Umlauf gebracht, sagte Namibias Polizeichef Sebastian Ndeitunga am Samstag. Es handele sich nicht um eine Polizeiaktion. "Wir wissen noch nicht, ob der Polizeibeamte allein handelte oder mit anderen Personen." Das Motiv war zunächst noch unklar. afp

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