Ankara sagt dem IS den Kampf an

Istanbul · Luftschläge gegen die Terrormiliz IS, Razzien und die Öffnung des Stützpunkts Incirlik für die USA. Lange duldete die türkische Regierung Extremisten an der Grenze. Nun zeigt sie Härte und gesteht damit auch das Scheitern ihrer Politik ein.

 Die Türkei erlaubt den USA jetzt, mit ihren Kampfjets vom Stützpunkt Incirlik Angriffe gegen den IS zu fliegen. Foto: Jospeh Swafford/US Air Force

Die Türkei erlaubt den USA jetzt, mit ihren Kampfjets vom Stützpunkt Incirlik Angriffe gegen den IS zu fliegen. Foto: Jospeh Swafford/US Air Force

Foto: Jospeh Swafford/US Air Force

Es ist eine Wende um 180 Grad in der türkischen Syrien-Politik. Das Nato-Land gehört zwar schon lange dem Bündnis gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an, griff aber bisher nicht militärisch in den Konflikt im Nachbarland Syrien ein. In der Nacht zum Freitag bombardierten nun türkische Jets Stellungen der Terrormiliz in Syrien. Zudem öffnete Ankara den südtürkischen Nato-Stützpunkt Incirlik für US-Luftschläge gegen den IS. Dazu kamen Razzien gegen die Extremisten.

Die islamisch-konservative AKP-Regierung hatte die Terrormiliz an ihrer Grenze lange toleriert. Die kurdische Opposition warf der AKP sogar Unterstützung der Extremisten vor, was Ankara immer bestritt. Die Kalkulation der Türkei war, dass IS-Milizen auch den syrischen Machthaber Baschar al-Assad schwächen würden. Eine Rechnung, die bisher nicht aufging.

Die türkische Regierung sah die sunnitische Terrormiliz IS lange auch als Gegengewicht zu den kurdischen Milizen (YPG) in Syrien. Die YPG kontrolliert inzwischen den größten Teil der Grenze zur Türkei und steht der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK nahe. Der Tod eines türkischen Soldaten bei Gefechten mit IS-Kämpfern an der Grenze löste die Bombardements am Freitag aus. Und Regierungschef Ahmet Davutoglu machte klar, dass sein Land weiter entschlossen gegen Extremisten vorgehen werde: "Die Türkei wird gegen jede auch nur kleinste bedrohliche Bewegung aufs Härteste reagieren", sagte er. Ein Grund für den Sinneswandel ist sicher auch der Selbstmordanschlag in Suruc mit 32 Todesopfern vor wenigen Tagen. Die türkische Regierung machte den IS dafür verantwortlich. Es wäre nicht der erste IS-Anschlag in der Türkei, jedoch der verheerendste.

Über die Motive der Extremisten, die Türkei zu attackieren, lässt sich nur spekulieren. Die wahrscheinlichste Variante: Mit dem Anschlag in Suruc wollte der IS die Spannungen zwischen der türkischen Regierung und den Kurden weiter anfachen. Suruc wird von der Kurdenpartei HDP regiert. Zugleich könnte das Attentat eine Warnung an Ankara gewesen sein, dass jeder Schlag der Türkei gegen den IS vergolten wird und die Regierung sich gefälligst zurückhalten sollte.

Die Öffnung des Stützpunktes Incirlik für US-Luftschläge hilft auch der Türkei, nun effektiver gegen den IS vorzugehen. In Washington kursieren angeblich Planspiele, mit Hilfe türkischer Truppen im Norden Syriens eine sichere Zone für Rebellen zu errichten. Bei aller Entschlossenheit, die die türkische Regierung nun gegen den IS demonstriert, macht sie jedoch auch klar, dass sie die PKK nach wie vor für mindestens ebenso bedrohlich hält. Die Großrazzia am Freitag war nicht nur gegen mutmaßliche Anhänger des IS gerichtet, sondern auch gegen die PKK . Die Organisation hatte am Donnerstag nach eigenen Angaben zwei Polizisten in der südosttürkischen Stadt Diyarbakir umgebracht.

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HintergrundDer Stützpunkt Incirlik wird bereits seit den 1950er Jahren auch von den USA genutzt. Derzeit sind dort nach US-Angaben rund 1500 amerikanische Soldaten stationiert. Kampfeinsätze von Incirlik aus sind nur mit Einverständnis der Türkei möglich. Für die US-geführte Allianz gegen den IS ist Incirlik strategisch wichtig. Die Basis liegt nur gut 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Sie liegt außerdem näher an der nordirakischen Grenze als Stützpunkte in den Golfstaaten, von denen aus die Allianz bisher Angriffe gegen IS-Stellungen fliegt. dpa

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