Angst vor dem Nahost-Konflikt am Pariser Strand

Paris · Tel Aviv ist heute zu Gast beim Pariser Sommerereignis Paris Plages. Doch pro-palästinensische Gruppen und die Linkspartei kritisieren das Event, das unter massivem Polizeischutz stattfindet.

Feiner weißer Sand, blaue Sonnenschirme, Ausblick auf die Seine: das ist jedes Jahr für vier Wochen "Paris Plages". Doch heute wird der Sandstrand mitten in der französischen Hauptstadt von hunderten Polizisten bevölkert, die verhindern sollen, dass die Sommeridylle eine politische Dimension bekommt. Denn die israelische Küstenstadt Tel Aviv ist für einen Tag Gast an der Seine. Ein Ereignis, das seit Tagen für Ärger sorgt, da pro-palästinensische Gruppen darin ein Bekenntnis zur Siedlungspolitik Israels sehen. Eine Petition, die die Absage des Events fordert, hatte zu Wochenanfang bereits 19 000 Unterschriften. Aber die Stadtverwaltung hält an "Tel Aviv sur Seine" fest. "Wir wehren uns dagegen, die Stadt Tel Aviv und die israelische Regierungspolitik, die wir verurteilen, in einen Topf zu werfen", verteidigt der stellvertretende Bürgermeister Bruno Julliard gestern im Radio die Initiative.

Deshalb sollen heute wie geplant israelische DJs am Seine-Strand auflegen und Foodtrucks israelische Spezialitäten verkaufen. Allerdings hat die pro-palästinensische Organisation Europalestine bereits zur Gegenveranstaltung Gaza Plage aufgerufen - nur ein paar Meter von den Seine-Stränden entfernt. Spannungen sind also programmiert. Doch die Stadt will auf alle Fälle verhindern, dass es zu ähnlichen Szenen kommt wie vor einem Jahr. Im Sommer 2014 waren Demonstrationen gegen die israelischen Angriffe auf den Gaza-Streifen in Antisemitismus umgeschlagen. Im Großraum Paris griffen Jugendliche Synagogen an und verwüsteten jüdische Geschäfte.

Unterstützt wurden die anti-israelischen Kundgebungen damals von Parteien am linken Rand. Auch zu "Tel Aviv sur Seine" melden sich Linkspartei und Kommunisten kritisch zu Wort. "Ein Jahr nach dem Massaker von Gaza organisiert Paris 'Tel Aviv bei Paris Plages'", twittert die Stadträtin und Koordinatorin der Linkspartei, Danielle Simonnet. "Wir fordern die Absage." Die Gegner des Ereignisses verweisen vor allem auf den Brandanschlag jüdischer Extremisten im Westjordanland, bei dem Ende Juli ein palästinensisches Kleinkind und sein Vater getötet wurden. Doch Bürgermeisterin Anne Hidalgo kontert mit der allseits bekannten Weltoffenheit der israelischen Hafenstadt, die auch den orthodoxen Juden ein Dorn im Auge ist. "In Tel Aviv waren die größten Solidaritätskundgebungen mit der Familie des verbrannten Kindes", schreibt die Sozialistin in einem Beitrag für die Zeitung "Le Monde ". Außerdem unterstreicht die Bürgermeisterin die palästinensernahe Haltung der Stadtverwaltung, die früh die Anerkennung Palästinas als Staat forderte.

Eine symbolische Forderung, die auch die von den Sozialisten dominierte französische Nationalversammlung im Dezember formulierte. Laut konservativen Kritikern wollte die sozialistische Regierung damit vor allem die muslimische Wählerschaft zufriedenstellen. Denn Frankreich hat mit rund fünf Millionen Mitgliedern die größte muslimische Gemeinde Europas. Gleichzeitig leben mit rund 500 000 auch europaweit die meisten Juden dort. Allerdings wanderten im vergangenen Jahr rund 7000 französische Juden nach Israel aus - ein trauriger Rekord, der mit der dramatischen Zunahme antisemitischer Gewalttaten zusammenhängt. Mit Tel Aviv als Gast bei Paris Plages will die französische Hauptstadt nun zu Toleranz beitragen.. "In diesem Sinne lade ich die Pariserinnen und Pariser ein, zahlreich zu kommen", schreibt Hidalgo.

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