Angriff mit Bomben-Attrappe

Paris · Der Zeitpunkt lässt den Atem stocken: Mitten in der Gedenkwoche für die Terroropfer vom vergangenen Januar sorgt eine neue Attacke für Alarm in Paris. Beim Angreifer findet sich das Symbol der Terrormiliz Islamischer Staat.

Die Gedenkfeier im Hof der Pariser Polizeipräfektur ist noch im Gange, als Paris fast auf die Stunde genau ein Jahr nach dem Angriff auf "Charlie Hebdo " wieder vom Terror erschüttert wird. Mit einem Schlachterbeil in der Hand nähert sich ein Mann dem Kommissariat im Pariser Norden. Er ruft "Allah ist groß". Die Beamten greifen sofort zur Waffe - und erschießen ihn. Pikantes Detail: Der zwischen 20 und 30 Jahre alte Mann trägt etwas, was zunächst nach einem Sprengstoffgürtel aussieht.

Spätestens damit schrillen im Terror-geplagten Paris alle Alarmglocken. Bombenexperten rücken an, mit gezogener Pistole riegeln Polizisten nicht nur den Tatort, sondern das komplette Viertel Goutte d'Or rund um die Metro-Station Barbès ab. Auch mehrere andere Metro-Stationen werden vorübergehend gesperrt, da von einem möglichen Komplizen die Rede ist. Im Fernsehen laufen wenig später Amateuraufnahmen. Sie zeigen die auf dem Asphalt liegende Leiche. Sie wird von einem fahrenden Roboter auf Sprengstoff abgesucht. Kurz darauf gibt es Entwarnung: Der Mann hatte keine Bombe bei sich, es war eine Attrappe. Dafür finden die Polizisten bei dem bislang Unbekannten ein Bekennerschreiben sowie eine Abbildung der Fahne der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Staatsanwaltschaft nimmt daraufhin Anti-Terror-Ermittlungen auf.

Die Attacke ereignet sich um die Mittagszeit, als Präsident François Hollande in einer Zeremonie der drei Polizisten gedachte, die vor einem Jahr bei der Anschlagserie auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo " und den jüdischen Supermarkt Hyper Kacher getötet wurden. "Wir werden es nie vergessen: Sie sind gestorben, damit wir frei leben können", sagt der Staatschef. Jeder Angriff auf einen Polizisten sei ein "Angriff auf die Republik". Hollande kündigt 5000 zusätzliche Stellen für die Polizei in den kommenden anderthalb Jahren an.

Seit den Anschlägen vom 13. November gilt in Frankreich der Ausnahmezustand: Bahnhöfe, Kaufhäuser und öffentliche Gebäude stehen unter dem Schutz von Polizei und Armee. Die Regierung plant, die Sicherheitsgesetze weiter zu verschärfen und Polizisten bei Terrorgefahr beispielsweise die Durchsuchung von Fahrzeugen oder von Gepäck zu erlauben - ohne Richterbeschluss. Außerdem sollen Polizisten und Gendarmen künftig schneller schießen dürfen, beispielsweise um flüchtende Gewalttäter zu stoppen.

Die Brüder Chérif und Said Kouachi hatten am 7. Januar um 11.20 Uhr die Redaktion von "Charlie Hebdo " überfallen und zwölf Menschen getötet, darunter zwei Polizisten . Sie gehörten zu Al Qaida im Jemen. Ihr Komplize Amédy Coulibaly, ein IS-Mann, erschoss später eine Polizistin im Pariser Vorort Montrouge und vier Geiseln in einem jüdischen Supermarkt.

Die Erinnerungen an die Horror-Tage von Paris sind auch ein Jahr danach präsent in der französischen Hauptstadt. Auch weil ein mutmaßlicher Komplize des Trios, Salim Benghalem, in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde. Benghalem soll für die Terrormiliz Islamischer Staat Hinrichtungen vollstreckt haben. Der 35-Jährige aus dem Großraum Paris , der mit internationalem Haftbefehl gesucht wird, hält sich wahrscheinlich in Syrien auf. In einer vor knapp einem Jahr veröffentlichten Botschaft drohte er den Franzosen: "Tötet sie mit Messern, spuckt ihnen ins Gesicht, verleugnet sie", forderte er seine "Brüder" auf.

Dem Land wird an diesem Tag, keine zwei Monate nach der blutigen Mordserie mit 130 Toten in Bars, einem Musikklub und am Stade de France, nochmal vor Augen geführt, dass die Gefahr nicht abgenommen hat. Eine Passantin sagt: "Man hat Angst, im eigenen Land zu leben und rauszugehen."

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