Alternative für Deutschland auf Schlingerkurs

Berlin · Seit Wochen befehden sich Rechte und Liberale in der AfD. Parteigründer Lucke ermuntert treue Anhänger zum Übertritt in seinen neuen Verein. Steuert die heillos zerstrittene AfD auf eine baldige Spaltung zu?

 Grafik: Bernhard Baltes

Grafik: Bernhard Baltes

Der Spott kam gleich. Im Netz wurde ein "Weckruf 2015" überschriebener Text des AfD-Gründers Bernd Lucke (52) als "wake up call" verhöhnt, einer bat, um sieben Uhr rausgeklingelt zu werden. Der Co-Vorsitzende Konrad Adam, ein intimer Lucke-Gegner, fühlte sich gar an die Zeugen Jehovas erinnert. Doch Lucke ist es bitterernst. Mit seinem Aufruf sucht er die Entscheidungsschlacht um den Kurs der Partei. Seine innerparteilichen Gegner sperrten ihm deswegen in der Zentrale den Mailzugang zu den Mitgliedern. Der Text wurde schließlich auf einer neuen Website veröffentlicht.

Kein Journalist hat je Böseres über die AfD enthüllt, als dort vom Chef selbst formuliert ist, unterstützt von Erstunterzeichnern wie Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel und dem baden-württembergischen Landeschef Bernd Kölmel. "Karrieristen, Intriganten und Vertreter der Neuen Rechten" versuchten, sich die Partei zu Eigen zu machen, die politischen Ränder aufzuweichen, sie systemkritisch und nationalistisch zu machen. Aus der Alternative für Deutschland solle "eine radikale, sektiererische Partei von Wutbürgern" werden. Dagegen müsse sich die "Mehrheit der Vernünftigen, Anständigen und Toleranten" wehren. Was sichtbar sei, sei dabei nur "die Spitze des Eisbergs" fügte Lucke in Straßburg noch mündlich unter Hinweis auf Facebook-Foren hinzu und sprach auch von antiamerikanischen Tendenzen. Henkel sagte in einem Interview, was er an innerparteilichen Anfeindungen erlebt habe, übertreffe alles, was der AfD von ihren äußeren Gegnern im Europawahlkampf entgegengeschlagen sei. Zur Erinnerung: Damals kam es zur massiven Zerstörung von Plakaten und zu körperlichen Angriffen. Lucke rief die Parteimitglieder auf, den "Weckruf" zu unterzeichnen und die Partei nicht aus Enttäuschung zu verlassen. Wie der Machtkampf weitergehen soll, blieb offen. Im Text heißt es, man wolle vor einer Entscheidung abwarten, welche Weichen auf dem Bundesparteitag am 13. Juni in Kassel gestellt würden. Beobachter mutmaßen, dass Lucke im Falle seines Scheiterns bei diesem Delegiertentreffen mit allen "Weckruf"-Unterzeichnern eine neue Partei gründen könnte.

In Kassel sollen erneut zwei Parteisprecher gewählt werden, von denen aber der so genannte Erste Bundessprecher ab Herbst automatisch alleiniger Vorsitzender sein soll. Lucke, der diesen Chefposten anstrebt, hatte diese Satzungsänderung mit knapper Mehrheit beim Parteitag im Januar in Bremen gegen den Widerstand unter anderem seiner Co-Sprecherin Frauke Petry durchgesetzt. Die sächsische Landesschefin ist seine große Widersacherin. Bisher war die 39-Jährige in Kassel für den Posten des zweiten Sprechers gesetzt - allerdings ließ sie zuletzt offen, ob sie nicht doch ganz nach oben strebt oder die neue Satzung kippen will. Das und inhaltliche Differenzen sind die Hintergründe des Machtkampfes. Petry hat wie Brandenburgs Landeschef Alexander Gauland und wie Konrad Adam Sympathien für die Pegida-Demonstranten erkennen lassen und will besonders in der Ausländerpolitik einen rechteren Kurs fahren. Lucke sagte dazu, es gebe rund um das Thema Ausländer und Flüchtlinge zwar Probleme, "die können aber nicht mit Parolen gelöst werden". Allerdings lud er Petry ausdrücklich ein, dem Weckruf beizutreten.

Die Konkurrentin nahm die Einladung jedoch nicht an, ganz im Gegenteil. In Dresden erklärte sie, eine Mitwirkung von Lucke in der Parteispitze sei jetzt nicht mehr denkbar, der "Weckruf" verstoße gegen die Parteiordnung. Allenfalls der Europa-Abgeordnete Joachim Starbatty , einer der Mitunterzeichner, könne als Vertreter des wirtschaftsliberalen Flügels mit in die Spitze rücken. Petry will die Doppelspitze jetzt dauerhaft festschreiben. Brandenburgs Landeschef Alexander Gauland drohte dem Parteigründer indirekt sogar mit Ausschluss. Auf Dauer könne man nicht dulden, dass Lucke die AfD schädige, sagte er.

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