Als die Bauern nach Kohlen gruben

Das genaue Datum ist natürlich nicht bekannt, doch es könnte irgendwann im 14. Jahrhundert gewesen sein, als ein Bauer in der Saar-Region beim Pflügen seines Ackers das "schwarze Gold" entdeckte. Vielleicht war es auch ein Schweinehirt, der sich abends zum Wärmen ein Feuerchen machte und des Morgens einen glühenden Boden an der Feuerstelle vorfand

Das genaue Datum ist natürlich nicht bekannt, doch es könnte irgendwann im 14. Jahrhundert gewesen sein, als ein Bauer in der Saar-Region beim Pflügen seines Ackers das "schwarze Gold" entdeckte. Vielleicht war es auch ein Schweinehirt, der sich abends zum Wärmen ein Feuerchen machte und des Morgens einen glühenden Boden an der Feuerstelle vorfand. Auf jeden Fall waren die ersten Entdecker auf das Ende eines Flözes gestoßen, und man kann sich vorstellen, wie primitiv der Abbau der ersten Kohle im Saarbecken gewesen sein mag. Belegt ist jedenfalls, dass sich viele Bauern neben der harten Arbeit auf dem Feld noch als Kohlengräber versuchten, um ihr karges Einkommen aufzubessern.Urkunden weisen darauf hin, dass offenbar schon um 1430 bei Ottweiler und Neunkirchen um "Kolgruben" gestritten wurde. Mitte des 16. Jahrhunderts sollen bereits ausgedehnte Kohlengräbereien im Raum Sulzbach/Dudweiler stattgefunden haben, stillschweigend geduldet von den Fürsten zu Nassau-Saarbrücken. Viele Jahrzehnte lang war das Buddeln nach Kohle jedenfalls nur eine Nebenbeschäftigung der Bauern, soweit es die landwirtschaftlichen Erfordernisse eben zuließen. Man musste meistens nicht sonderlich tief graben, und wenn sich Grundwasser in den brunnenartigen Löchern bildete, grub man einfach woanders ein neues Loch. Manchmal, so heißt es in der Überlieferung, waren Maulwürfe beim Auffinden der Flöze behilflich: Waren ihre Hügel schwarz gefärbt, wurde man recht schnell fündig.

So richtig kam der Abbau des fossilen Energieträgers aber erst im 18. Jahrhundert in die Gänge. Auch - man höre und staune - weil das waldreiche Saarrevier soviel Holz nach Holland exportierte, dass zuhause das Brennmaterial knapp wurde und man verstärkt nach Kohlen graben musste. Die freie Buddelei fand indes ein jähes Ende, als die adeligen Herrschaften auf den Trichter kamen, dass mit diesem Bodenschatz ein vielversprechendes Geschäft zu machen war.

Historische Quellen geben Auskunft darüber, dass an der Saar ein Hofkammerrat namens Georg Philipp Heuß dem damaligen Landesfürsten Wilhelm Heinrich (der die SZ gründete) Mitte des 18. Jahrhunderts den Rat gab, den wilden Bergbau an der Saar in staatliche Obhut zu nehmen. Damit hatte die Obrigkeit nicht nur die Kontrolle im Sinne, sie wollte auch mehr als die "Grubengült", die von den buddelnden Bauern bereits seit ein paar Jahrzehnten entrichtet werden musste. Es kam, wie es kommen musste: Wilhelm Heinrich übernahm sukzessive die "Gruben" der ehemals selbständigen Kohlengräber in Sulzbach und Ottweiler, Klarenthal, Gersweiler, Geislautern und Fürstenhausen - und untersagte sodann mit fürstlicher Allmacht den privaten Kohlenverkauf. Damit war der Bergbau, der sich immer tiefer in die Erde grub, in staatlicher Hand. Man schrieb das Jahr 1754.

Schon bald begann ein dynamischer Prozess, denn durch die zunehmende Nachfrage von Glas- und Eisenhütten sowie Kalkbrennereien gewann die Steinkohle an Bedeutung. Der Bergbau wurde immer professioneller, und nach einer Übergangszeit organisierten sich die Bergarbeiter in "Kameradschaften" und "Kompagnien" - sie wussten oder ahnten, dass sie als Einzelpersonen keine Chance hatten, sich gegen staatliche Willkür zu behaupten. So wurden sie dann auch als "Lohnarbeiter" und im Schichtlohn bezahlt. Um das Jahr 1761 herum, als der Fürst ein "Allgemeines Wochen-Blat" zur Probe einführen ließ, vereidigte er auch erste Bergleute, die den Kohleabbau der "Hauer" kontrollieren sollten, als "Steiger": Der klassische Steinkohle-Bergbau, der das Saarrevier wirtschaftlich, politisch und kulturell prägen sollte wie sonst nichts, hatte sich endgültig formiert.

Der typisch saarländische Ausdruck "uff de Grub schaffe" kommt aus dieser frühen Zeit. Weil es noch nicht tief in die Erde ging, hieß es "auf der Grube". Dort wurde die Lage allerdings immer schwieriger, obwohl die Bergleute bereits 1769 eine Idee hatten, die Geschichte schreiben sollte: Um die Menschen vor den Folgen ihrer schweren Arbeit wenigstens ein bisschen zu schützen, gründete man nach dem Vorbild der sächsischen Erz-Bergarbeiter die "Bruderbüchse", ein Vorläufer der heutigen Krankenversicherung.

Weil aber die fürstliche Steuerpolitik immer rigoroser wurde und die Bürger unter der Abgabenlast stöhnten, kam es Anfang der 1790er Jahre zu Protesten und Tumulten. Zugleich zogen in Folge der französischen Revolution Truppen aus dem Nachbarland an die Saar ein, der Fürst (jetzt Heinrichs Sohn Ludwig) musste fliehen, und in den allgemeinen Unruhen kam der Bergbau fast zum Erliegen.

Es währte nicht lange, da bemächtigten sich die Franzosen der Saargruben, setzten einen "Inspecteur" ein und bezahlten die Bergleute mit französischem Papiergeld statt mit harten Silbermünzen wie bisher. Aber das sollte nicht gutgehen: Im schlimmen Hungerwinter 1794/95 weigerten sich die frustrierten Arbeiter in Sulzbach und Dudweiler plötzlich, in die Gruben einzufahren: Zuvor müssten ihre Forderungen erfüllt werden, verlangten sie. Dieser erste echte Streik in der Geschichte des saarländischen Bergbaus hatte enorme Auswirkungen: Erstens führte er tatsächlich zu höheren Löhnen und auch der Rückkehr zum Hartgeld. Zweitens stärkte er das Selbstbewusstsein und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bergleute nachhaltig.

Denn nun wussten sie, was viele Jahre später die Gewerkschaftsidee enorm beflügeln sollte: "Nur gemeinsam sind wir stark!"

Quellen:

RAG Aktiengesellschaft

SZ-Archiv

"Lohn der Mühen" - Geschichte der Bergarbeiter an der Saar (Verlag C.H. Beck)

Dr. Malte Helfer,

Université du Luxembourg

Foto: SZ "Nur gemeinsam sind wir stark!"

Bergleute im Saarland nach

dem ersten

großen Streik im Winter 1794/95

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