Als der Saar Gefahr vom Bergbau drohte

In den Saar-Gruben hatten auch schon Amerikaner das Sagen - aber nur für kurze Zeit. Am Ende des Zweiten Weltkrieges lag das saarländische Kohlerevier am Boden. Die Förderung war zwischen den Jahren 1943 und 1945 von 16,16 Millionen auf 3,46 Millionen Tonnen zusammengeschrumpft. Die Bergwerke waren teilweise stark zerstört und weitgehend verwaist

 Gezeichnet von der Arbeit unter Tage: ein saarländischer Bergmann im Jahr 1955. Foto: RAG

Gezeichnet von der Arbeit unter Tage: ein saarländischer Bergmann im Jahr 1955. Foto: RAG

In den Saar-Gruben hatten auch schon Amerikaner das Sagen - aber nur für kurze Zeit. Am Ende des Zweiten Weltkrieges lag das saarländische Kohlerevier am Boden. Die Förderung war zwischen den Jahren 1943 und 1945 von 16,16 Millionen auf 3,46 Millionen Tonnen zusammengeschrumpft. Die Bergwerke waren teilweise stark zerstört und weitgehend verwaist. Die Zwangsarbeiter, die bis zum Ende des Krieges die Steinkohle-Förderung nur mühsam aufrecht erhalten hatten, brachen nach dem Einmarsch der US-Truppen ins Saarland (März 1945) scharenweise in ihre Heimatländer auf. Die Amerikaner machten anfangs die Verwaltung des saarländischen Steinkohle-Bergbaus zu ihrer Sache. Sie gründeten die Kontroll-Kommission "Saar Mining Mission". Viel zu tun hatten sie allerdings nicht. Unter Tage waren unmittelbar nach dem Krieg nur noch 5500 Bergleute beschäftigt - ein Bruchteil der früheren Belegschaft. Täglich brachten sie gerade mal 1310 Tonnen Kohle an die Oberfläche. Das US-Interregnum wurde bald beendet. Am 10. Juli 1945 ging die Kontrolle über den Bergbau an der Saar auf die französische "Mission Française des Mines de la Sarre" über. Am gleichen Tag übernahm die französische Militärregierung die Verwaltung des Saarlandes.Frankreich wollte aus wirtschaftlichen Gründen von Anfang an das Saar-Revier stärker an sich binden als den Rest seiner Besatzungszone, die zusätzlich das heutige Rheinland-Pfalz und den Süden Baden-Württembergs umfasste. Denn die Kohle war für die künftige Energieversorgung des rohstoffarmen Nachbarlandes von entscheidender Bedeutung. Daher arbeitete die französische Regierung von Anfang an auf eine Wirtschafts- und Währungsunion der Saar mit Frankreich hin. Am 15. Dezember 1947 trat die saarländische Verfassung in Kraft und der wirtschaftliche Anschluss an Frankreich wurde vollzogen. Kurz zuvor war festgelegt worden, dass die "Régie des Mines de la Sarre" künftig das Sagen über den Saar-Bergbau haben sollte. Am 1. Januar 1948 gingen alle Güter und Rechte der alten Saargruben AG aus der Nazi-Zeit auf die neue Gesellschaft über.

Die französischen Chefs drückten mächtig auf die Tube, um die Förderung an saarländischer Kohle zu steigern. Schon 1948 wurden wieder 12,5 Millionen Tonnen Steinkohle gefördert - 84 Prozent der Vorkriegsleistung. Mehr als 62 500 Bergleute waren bei dem Unternehmen beschäftigt. Außerdem sicherte man sich die exklusiven Vermarktungsrechte für das "schwarze Gold" von der Saar. Grundlage dafür war die Französisch-Saarländische Grubenkonvention vom 3. März 1950.

Die Zusammenarbeit mit den Franzosen verlief nicht reibungslos. Denn Frankreich beanspruchte die reichen und leicht abbaubaren Kohlevorräte des Warndt für sich. Schon Anfang 1948 begann die lothringische Zechen-Gruppe auf Basis eines Pachtvertrages mit der "Régie des Mines" von französischer Seite her im Warndt Kohle zu fördern. Im Saarland war man auf das Höchste alarmiert. Sollte der Warndt wegbrechen, würde nur noch das Saartal als künftiges Abbaugebiet übrig bleiben - mit der Gefahr, dass sich das Bett der Saar um fünf Meter senken würde. Das hätte zur Folge gehabt, dass das Saarbecken überflutet würde und zu versumpfen drohte. Viele Menschen hätten umgesiedelt werden müssen.

Bei den Gruben im Osten des Landes wie Heinitz oder St. Ingbert gingen die Kohlevorräte allmählich zur Neige. Der Warndt war für den saarländischen Bergbau daher von existenzieller Bedeutung, da dort 900 Millionen Tonnen Kohle vermutet wurden, fast ein Drittel der gesamten saarländischen Vorräte. 310 Millionen Tonnen davon waren wertvolle Fettkohle, die sich besonders gut für die Eisenverhüttung in den Hochöfen eignete. Die saarländische Regierung erkannte den Warndt-Pachtvertrag, der auf 99 Jahre angelegt war, von Anfang an nicht an. Denn das Saarland war gar nicht gefragt worden, als die Abmachung ausgehandelt wurde.

Außerdem ärgerten sich die Saarländer damals schon, dass ihnen die französische "Régie des Mines" bei Bergbau-Schäden die kalte Schulter zeigte. "Die geschädigten Privatpersonen befinden sich in schwieriger Lage, und die Régie des Mines demonstriert, wie machtlos die einzelnen gegenüber einer Staatsgesellschaft sind", schrieb die Saarbrücker Zeitung am 1. Oktober 1952. Um ihre Rechte einzuklagen, wollten sich die Geschädigten sogar zu Genossenschaften zusammenschließen. Risse in Häusern gab es offenbar zuhauf. Man beklagte sich, dass die aus Kohle bestehenden Sicherheitspfeiler, die bislang immer stehen geblieben waren, um zu starke Erschütterungen an der Erdoberfläche zu vermeiden, jetzt abgebaut werden mussten - "ohne Rücksicht auf Bergschäden", wie die Betroffenen verärgert anmerkten.

So konnte es nicht bleiben. Die Saarländer wollten endlich wieder Herr im eigenen Haus sein, und auch die Franzosen merkten, dass im Saar-Revier einiges schief lief. Also setzte man sich zusammen und handelte den "Vertrag zwischen Frankreich und dem Saarland über den gemeinsamen Betrieb der Saargruben" (Saargrubenvertrag) aus, der am 20. Mai 1953 in Kraft trat. Auf Basis dieser Abmachung wurde am 1. Januar 1954 das Unternehmen "Saarbergwerke" gegründet. In den Vorstand rückten zwei Saarländer ein. Doch das Sagen hatte nach wie vor ein französischer Generaldirektor, der mit Sondervollmachten ausgestattet war. Dem Vorstand gehörten zudem noch zwei weitere Franzosen an. Als eine Art Aufsichtsgremium wurde ein "Saargrubenrat" eingerichtet, in dem jeweils zehn Franzosen und Deutsche saßen.

Die Kohleförderung hatte sich gut entwickelt. 1953 wurden rund 16,3 Millionen Tonnen Kohle aus der Erde geholt, 1954 waren es bereits 16,6 Millionen Tonnen. Die neuen "Saarbergwerke" beschäftigten im ersten Jahr fast 67 000 Mitarbeiter und bildeten 6000 Lehrlinge aus. Das Warndt-Streit schwelte jedoch weiter. Der Saargrubenvertrag sah vor, dass eine Schiedskommission eingerichtet werden sollte, die dieses Problem lösen sollte. Am 6. September 1955 traf sich diese Kommission zu ihrer ersten Sitzung, um sich zunächst mit Prozedur- und Protokollfragen zu befassen. Es sah nach einer langwierigen Angelegenheit aus.

Wenige Wochen später schaffte die große Politik neue Fakten. Am 23. Oktober 1955 sprachen sich 67,7 Prozent der Saarländer gegen das 1954 in den Pariser Verträgen ausgehandelte Saarstatut und damit für die Rückkehr des Saarlandes nach Deutschland aus. Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Ministerpräsident Guy Mollet vereinbaren im Luxemburger Saarvertrag vom 27. Oktober 1956, dass das Saarland ab 1. Januar 1957 politisch und ab 1. Januar 1960 auch wirtschaftlich der Bundesrepublik Deutschland angegliedert wird.

Im Saarvertrag wurde auch das Kohle-Problem gelöst. Daran sollte die deutsch-französische Aussöhnung nicht scheitern. Die Saarländer durften die Steinkohle im Warndt selbst abbauen, was sie in den folgenden Jahrzehnten auch fleißig taten. Außerdem vereinbarte man, einen neuen Rechtsträger für die "Saarbergwerke" zu finden, und das Saarland wurde berechtigt, an diesem Unternehmen 26 Prozent der Anteile zu erhalten. Am 30. September 1957 erblickte die "Saarbergwerke AG" das Licht der Welt. Die verbleibenden 74 Prozent übernahm der Bund. Eine neue Zeitrechnung brach an. "Kohleabbau ohne Rücksicht auf Schäden."

Vorwurf an die "Régie des Mines de la Sarre"

Hintergrund

Nach dem Zweiten Weltkrieg flammte an der Saar die Forderung auf, dass der Saar-Bergbau in den Besitz des Volkes übergehen sollte. Dieses politische Begehren wurde vor allem von der Gewerkschaft Industrieverband Bergbau (IVB, später Gewerkschaft Bergbau und Energie, IGBE) mit Nachdruck vertreten. Der IVB rief die Parole aus "Die Saargruben dem Saarvolk" und hatte anfangs auch die Christliche Volkspartei (CVP), die Sozialdemokratische Partei Saar (SPS) und die Kommunistische Partei (KP) als Fürsprecher.

Die Franzosen waren strikt gegen diese Pläne und auch die CVP schwenkte um, als ihr Vorsitzender Johannes Hoffmann (Joho) 1947 Ministerpräsident wurde. Als "billiges Schlagwort" tat er diese Forderung ab. Der IVB kämpfte lange und mit Herzblut für die Verstaatlichung der Saar-Gruben, konnte sich am Ende aber nicht durchsetzen. low

saarbruecker-zeitung.de/

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