Al Qaida erklärt Christen den Krieg Tiefe Bestürzung über den Terror gegen Christen

Berlin/Washington. Der Bombenanschlag auf eine koptische Kirche in Ägypten hat international Bestürzung ausgelöst. US-Präsident Barack Obama verurteilte den Anschlag als "barbarisch". Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte: "Das zynische Vorgehen der Attentäter zeigt, wie notwendig es ist, entschlossen gegen Terrorismus und religiöse Intoleranz vorzugehen

 In die Trauer mischt sich Wut: Junge Christen - hier mit selbst gezimmerten Holzkreuzen - wollen ihren Glauben um jeden Preis verteidigen. Foto: dpa

In die Trauer mischt sich Wut: Junge Christen - hier mit selbst gezimmerten Holzkreuzen - wollen ihren Glauben um jeden Preis verteidigen. Foto: dpa

Berlin/Washington. Der Bombenanschlag auf eine koptische Kirche in Ägypten hat international Bestürzung ausgelöst. US-Präsident Barack Obama verurteilte den Anschlag als "barbarisch". Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte: "Das zynische Vorgehen der Attentäter zeigt, wie notwendig es ist, entschlossen gegen Terrorismus und religiöse Intoleranz vorzugehen." In Rom rief Papst Benedikt XVI. zum Schutz der Christen weltweit auf. In Brüssel rief die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton dazu auf, die Religionsfreiheit der Kopten in Ägypten - einem überwiegend von Muslimen bewohnten Land - zu schützen.

Auch Kirchenvertreter in Deutschland reagierten betroffen. "Mein Mitgefühl und mein Gebet gelten den Hinterbliebenen der Opfer", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sprach von einem "feigen und hinterhältigen Anschlag". epd

Kairo. Das neue Jahr war in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria keine halbe Stunde alt, da wurde es für die Gläubigen in der koptischen St. Markus- und -Petrikirche schon zum Schreckensjahr. Als Hunderte von ihnen aus der Neujahrsmesse strömten, zerriss eine ohrenbetäubende Explosion die besinnliche Stimmung, die sie im Gotteshaus empfangen hatten. Es gab ein Inferno. Leichen lagen in ihrem Blut, Verletzte krümmten sich schreiend am Boden, brennende Fahrzeugtrümmer, Schutt und Scherben überall. Mindestens 21 Gläubige riss der Selbstmörder mit in den Tod. Unter den überlebenden Kirchgängern mischte sich Wut in die Trauer. Vor allem jüngere unter ihnen scharten sich um ein paar Jugendliche, die aus Holzlatten schnell überlebensgroße Kreuze zusammengezimmert hatten, und riefen: "Unser Leben, unsere Seele geben wir für unser Kreuz!" Steine flogen gegen die gegenüber gelegene Schark-al-Medina-Moschee. Ägyptische Sonderpolizei drängte die Menge mit Tränengas ab.

Ägyptens Kopten haben Grund zur Wut. Der Staat, der den Islam als Amtsreligion in der Verfassung verankert hat, benachteiligt sie in vielen Bereichen. Sie dürfen nur selten Kirchen bauen und werden im Staatsdienst gegenüber Muslimen diskriminiert. Während Christen jederzeit zum Islam konvertieren können - und etliche das wegen der strengen Scheidungsbestimmungen der koptischen Kirche tun -, ist es für einen Muslim unmöglich, den christlichen Glauben anzunehmen.

Die Konflikte zwischen muslimischen und christlichen Ägyptern um baulich vergrößerte Gotteshäuser und konvertierte Seelen münden nicht selten in tödliche Gewalt. Doch das Massaker von Alexandria verweist auf eine ganz andere Qualität. Nicht nur deutete das Regime von Präsident Husni Mubarak mit dem Finger auf "ausländische Elemente". Der Anschlag trug auch für Experten deutlich die Handschrift des zur Zeit der US-Besatzung im Irak entstandenen Terrornetzes Al Qaida.

Der Al-Qaida-Ableger "Islamischer Staat des Iraks" hatte bereits vor einer Woche Anschläge gegen Christen im gesamten arabischen Raum angekündigt und sich ausdrücklich auf einen der gegenwärtig schwelenden Glaubenskonflikte in Ägypten bezogen. Die Affäre ist bizarr: Zwei mit Priestern verheiratete Christinnen waren zum Islam konvertiert, um sich von ihren Männern scheiden zu lassen, würden aber angeblich von der Kirche in "Geiselhaft" gehalten.

Auch im letzten Oktober, als Terroristen in einer christlich- assyrischen Kirche in Bagdad fast 60 Gläubige niedergemetzelt hatten, hatte die irakische Al Qaida das Blutbad als "Vergeltung" für das angebliche Festhalten der beiden ägyptischen Neu-Musliminnen dargestellt. Harte Beweise für die Urheberschaft der Al Qaida am Anschlag von Alexandria lagen zunächst keine vor. Doch der Schritt, die Zone des Terrors international auszuweiten, erscheint nicht unlogisch.

Denn im Irak selbst verlieren die selbst erklärten Gotteskrieger zunehmend an Boden. Der grenzübergreifende Dschihad gegen vermeintliches Unrecht an Muslimen würde ihnen - so das Kalkül - bei simplen Geistern in der weiteren muslimischen Welt Image-Punkte ein bringen.

"Unser Leben, unsere Seele geben wir für unser Kreuz!"

Jugendliche Christen in Alexandria

Meinung

Westen ist nicht unschuldig

Von SZ-Redakteurin

Iris Neu

 In die Trauer mischt sich Wut: Junge Christen - hier mit selbst gezimmerten Holzkreuzen - wollen ihren Glauben um jeden Preis verteidigen. Foto: dpa

In die Trauer mischt sich Wut: Junge Christen - hier mit selbst gezimmerten Holzkreuzen - wollen ihren Glauben um jeden Preis verteidigen. Foto: dpa

Wieder eine niederträchtige, grauenvolle Bluttat, und wieder die gewohnt bemühten, ohnmächtigen Worte der Verurteilung aus aller Welt. Wie nur das Übel an der Wurzel packen? Mag der Tourismus den radikalen Islam in Ägypten scheinbar gezähmt haben - unter der Oberfläche brodelt in weiten Teilen des Landes ungebrochen der blanke Hass gegen Andersgläubige. Denn das Land der Pharaonen ist zugleich Wiege der radikalen Muslimbruderschaft - dort kann der religiöse Ableger Al Qaida auf tatkräftige Unterstützung und willige Vollstrecker setzen. Die gesetzliche Religionsfreiheit im Land schützt Christen kaum. Gerne versieht der Westen den Islam in Ägypten mit dem Attribut moderat. Das mag vordergründig auf Mubaraks (instabile) Regierung zutreffen, die mit den USA und Europa kooperiert. Was aber unseligerweise verschleiert, dass ungehemmte Hetze gegen Andersgläubige nicht nur in Moscheen, sondern sogar an Ägyptens anerkanntesten Universitäten zu den Lehr-Inhalten gehört. Und dass dort angesehene Professoren unverhohlen ihre Abscheu für Juden und Christen, nicht selten sogar die Notwendigkeit ihrer Auslöschung artikulieren. Solange westliche Politiker und Intellektuelle dies nicht anprangern, sondern lediglich mit Schweigen beantworten, sind auch sie mitverantwortlich.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort