Al-Dschasira: Berlin soll Journalisten freilassen
Berlin/Kairo · Zwei Wochen nach dem umstrittenen Deutschland-Besuch des ägyptischen Präsidenten al-Sisi wird in Berlin ein Al-Dschasira-Journalist festgenommen. Kein Zufall, glauben Gegner der Kairoer Regierung.
Der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira hat die Freilassung seines in Berlin festgenommenen Fernsehjournalisten Ahmed Mansur gefordert. Die ägyptischen Anschuldigungen seien falsch, erklärte der Sender gestern auf seiner Webseite. Der zugrunde liegende Haftbefehl gehe auf einen "fadenscheinigen Versuch des Rufmords gegen einen führenden Journalisten " zurück. Der prominente Journalist bleibt laut Berliner Staatsanwaltschaft aber vorerst in Polizeigewahrsam. Die Organisation Reporter ohne Grenzen forderte die Justiz auf, den Fall "schnell" aufzuklären.
Mansur war am Samstag am Flughafen Berlin-Tegel festgenommen worden, als er nach Doha in Katar fliegen wollte. Laut Bundespolizei lag ein internationaler Haftbefehl gegen ihn vor, der vom Bundeskriminalamt ins System eingestellt worden sei. Eine Verwechslung sei ausgeschlossen.
Mansurs Berliner Anwalt Fazli Altin erklärte dagegen, es gebe keinen von Interpol weitergeleiteten internationalen Haftbefehl gegen seinen Mandanten. Bereits im Oktober 2014 habe die internationale Polizeiorganisation die Weitergabe entsprechender Anforderungen aus Ägypten verweigert und dies dem Journalisten auch mitgeteilt. Den deutschen Behörden liege aus Ägypten nur eine Fahndungsnotiz sowie ein Auslieferungsbegehren vor. Ahmed Mansur gehört zu den bekanntesten TV-Journalisten der arabischen Welt. Ein Strafgericht in Kairo hatte ihn 2014 in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt, weil er im Frühjahr 2011 an der Folter eines Anwalts in Kairo beteiligt gewesen sein soll.
Die Staatsanwaltschaft Berlin prüfte gestern, ob der Haftbefehl aufrechterhalten bleibt. Laut Anwalt Altin wird es heute einen Haftprüfungstermin geben.
Grünen-Chef Cem Özdemir sieht in dem Fall "viele Fragezeichen", wie er auf Twitter mitteilte. Seine Parteikollegin Franziska Brantner warnte die Berliner Justiz davor, sich "zum Erfüllungsgehilfen eines Willkürregimes in Kairo" zu machen. Auch der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen , Christian Mihr, erklärte: "Deutschland darf sich nicht zum Komplizen des ägyptischen Regimes machen." Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi war Anfang Juni zu Besuch in Berlin.
Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Wolfgang Gehrcke , protestierte ebenfalls: "Jeder weiß, dass die Rechtstaatlichkeit in Ägypten auf tönernen Füßen steht - wenn man überhaupt von Rechtsstaatlichkeit sprechen kann", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montag).
Vor dem Berliner Bereitschaftsgericht nahe dem Platz der Luftbrücke versammelten sich nach einem Aufruf der Deutsch-Ägyptischen Union für Demokratie Demonstranten. "Freiheit für Ahmed Mansur, Freiheit für Ägypten, Freiheit für Journalisten ", skandierten sie.
Die Regierung in Kairo betrachtet Al-Dschasira mit Sitz in Doha als Unterstützer der in Ägypten mittlerweile verbotenen Muslimbrüder. Der Sender gilt als scharfer Kritiker von Präsident al-Sisi. Die Armee hatte noch mit al-Sisi an der Spitze vor fast zwei Jahren nach Massenprotesten den ersten frei gewählten Staatschef Mohammed Mursi abgesetzt, der zu den Muslimbrüdern gehört.
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HintergrundDer im Golfstaat Katar ansässige Nachrichtensender Al-Dschasira ist eines der einflussreichsten Medien in der arabischen Welt. Der Sender, der übersetzt "Die Insel" bedeutet, erreicht mit seinem englischsprachigen Sender nach eigenen Angaben mehr als 220 Millionen Haushalte in über 100 Ländern. Mit seiner Berichterstattung nahm der Sender unter anderem Einfluss auf die Aufstände des "Arabischen Frühling" im Jahr 2011 - Al-Dschasira stand damals offen auf der Seite der Revolutionäre in Ägypten und Tunesien. Die ägyptische Regierung wirft dem Kanal vor, einseitig zugunsten der Muslimbrüder zu berichten, deren Präsident Mohammed Mursi 2013 vom Militär gestürzt wurde. dpa