Abschied vom rot-grünen Projekt

Berlin. "Das rot-grüne Projekt", lange erstrebt und schließlich erreicht im Bund wie in vielen Ländern, ist am Samstag sang- und klanglos beerdigt worden. Die Grünen zogen in Berlin bei einer Sitzung ihres Länderrates, des höchsten Gremiums zwischen Parteitagen, als erste Organisation die Konsequenzen aus dem neuen Fünf-Parteien-System

Berlin. "Das rot-grüne Projekt", lange erstrebt und schließlich erreicht im Bund wie in vielen Ländern, ist am Samstag sang- und klanglos beerdigt worden. Die Grünen zogen in Berlin bei einer Sitzung ihres Länderrates, des höchsten Gremiums zwischen Parteitagen, als erste Organisation die Konsequenzen aus dem neuen Fünf-Parteien-System. Und hoben ihre bisherige Bindung an die SPD einstimmig und ohne längere Debatten auf. Angela Merkels Union hat jetzt eine Regierungsoption mehr. Zwar heißt es in dem Beschluss, dass es mehr Überschneidungen mit der SPD als mit anderen Parteien gebe. "Gleichwohl sind wir grundsätzlich bereit, unterschiedliche Koalitionsoptionen zu prüfen." Eigenständigkeit lautet die neue Devise der Grünen. "Der Inhalt macht den Unterschied", stand als Slogan über der Tagung. Man wolle keinen Lagerwahlkampf, hieß es. Der Tabubruch in Hamburg, wo mit der Grün-Alternativen Liste (GAL) erstmals ein Landesverband mit der CDU über eine Regierungsbildung verhandelt, wurde nicht kritisiert. Ganz im Gegenteil: Landeschefin Anja Hajduk erhielt dickes Lob für ihren Verhandlungsstil. Parteichef Reinhard Bütikofer bezeichnete den Zustand der SPD als "derzeit schlicht schlimm". Schon deshalb könne man nicht auf sie setzen. Aber man werde sich jetzt auch nicht voraussetzungslos der CDU zuwenden. "Unsere Partei ist Grün und nicht Bindestrich-Grün", sagte er. Bütikofer versuchte einige "Projekte" festzulegen, für die die Grünen stehen sollen: Ablehnung neuer Kohlekraftwerke, Tempolimit auf Autobahnen und eine Garantierente gehören dazu. Sie könnten bei künftigen Koalitionsverhandlungen als Kernforderungen eingebracht werden. Glaubt man dem Verlauf der Debatte, dann haben die Grünen eher ein Problem mit einer rot-rot-grünen Koalition als mit der Union. Die Linkspartei wurde mehrfach heftig kritisiert. Sie sei teilweise rechtspopulistisch und national borniert, sagte Parteichefin Claudia Roth. Andere Redner erinnerten an die PDS-Vorgeschichte der Linken. Eine klare Abgrenzung von der CDU formulierte allein die die nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn. Von Höhn stammte jedoch auch das Bonmot des Tages: "Wer zehn Jahre in Nordrhein-Westfalen mit den SPD-Leuten Clement und Steinbrück zu tun hatte, hat keine Angst mehr, mit der Union zu reden." Fast alle Redner taten so, als sei es kein Problem, die grünen Kernthemen auch mit anderen Partnern als der SPD durchzusetzen. Dass dem vielleicht nicht so sein wird, darauf wies Fraktionschef Fritz Kuhn hin. "Zu unser Strategie muss auch gehören, in die Opposition zu gehen, wenn die Inhalte nicht stimmen". Die Hamburger Bundestagsabgeordnete Krista Sager forderte eine "Entideologisierung" der Politik. "Es ist egal ob die Katze rot oder schwarz ist. Hauptsache sie fängt zusammen mit den Grünen Mäuse", sagte sie unter Beifall. Meinung

Das Ende der Lagerstrategie

Von SZ-KorrespondentWerner Kolhoff Anders als früher wird es 2009 bei der Bundestagswahl keinen Lagerwahlkampf geben. Weil mit den Linken eine fünfte Partei aufgetaucht ist, sind Schwarz-gelb und Rot-grün unwahrscheinlich geworden. Also müssen die Kleinen flexibel sein. Die Grünen haben jetzt dieses Vorgehen beschlossen, FDP-Chef Guido Westerwelle schon etwas eher. Das ist eine kleine Revolution. Die Kehrseite: Für den Wähler wird die Lage unübersichtlich. Wählt er FDP, bekommt er womöglich Kanzler Kurt Beck. Und wählt er Grüne, regiert vielleicht Angela Merkel. Grüne wie FDP versuchen Ängste zu nehmen, indem sie inhaltliche Kern-Positionen durchzusetzen versprechen. Eine Art Politik-Garantie statt einer Koalitionsaussage. Was daraus in Verhandlungen mit anderen Parteien wird, sagt bisher keiner. Hier sind "Wortbrüche" vorprogrammiert.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort