Abgeordneter beschäftigt Ex-Terroristen

Berlin · Einst prangte das Gesicht von Christian Klar in der Bundesrepublik auf jedem RAF-Fahndungsplakat. Heute arbeitet er für einen linken Bundestagsabgeordneten. Darf so jemand einen Hausausweis des Parlaments bekommen?

Die Szene, die sich kurz vor Weihnachten vor dem Bundestag zutrug, muss dann doch einigermaßen bizarr gewesen sein. An der Sicherheitskontrolle stand Christian Klar , ehemals Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF ) und einer von Deutschlands meistgesuchten Terroristen. Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre hätte sein Anblick den unverzüglichen Einsatz von mehreren Sonderkommandos zur Folge gehabt. Jetzt kam nur der Linke-Abgeordnete Diether Dehm an die Pforte und holte ihn ab.

Mit ein paar Wochen Verzögerung sorgt die Angelegenheit nun aber doch für einige Aufregung. Kurz vor dem Wochenende kam heraus, dass Dehm den ehemaligen RAF-Mann als Mitarbeiter beschäftigt, und zwar seit einigen Jahren schon. Der 63-Jährige kümmert sich um die technischen Dinge von Dehms verschiedenen Auftritten im Internet: die Abgeordneten-Website, aber auch andere.

Der linke Abgeordnete selbst wurde vor seiner Politik-Karriere reich mit Musik: Aus seiner Feder stammt unter anderem der Klaus Lage-Song "1001 Nacht" ("Tausendmal berührt, tausendmal ist nichts passiert, . . ."). Klar will er nach eigener Auskunft schon vor vielen Jahren kennengelernt haben, "auf einer Friedensdemonstration".

Das müsste dann schon in der ersten Hälfte der 70er gewesen sein. 1976 ging Klar für die RAF in den Untergrund. Klar selbst war erwiesenermaßen an der Ermordung von Arbeitgeber-Präsident Hanns-Martin Schleyer , Generalbundesanwalt Siegfried Buback und Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto beteiligt. Erst 2008, nach 26 Jahren hinter Gittern, kam er wieder auf freien Fuß. Die Richter sahen keine Rückfallgefahr mehr. Dehm sagt über seinen freien Mitarbeiter: "Christian Klar ist heute ein Bürger wie jeder andere auch. Er hat seine Strafe verbüßt. Und seit seiner Entlassung hat er sich nicht das Geringste zuschulden kommen lassen." Das sehen nicht alle so. Ans Licht der Öffentlichkeit kam das ungewöhnliche Beschäftigungsverhältnis, weil der Bundestag dem Ex-Terroristen die Ausstellung eines Hausausweises verweigerte. Bundestags-Sprecher Ernst Hebeker begründet das mit "Sicherheitsbedenken".

Derzeit wird von den Bundestags-Juristen geprüft, ob Klar nach Verbüßung seiner Strafe nicht doch Anspruch auf einen Hausausweis hat. Die Entscheidung liegt letztlich wohl beim Präsidium des Hauses - weiterer Streit ist programmiert.

Meinung:

Das ist geschmacklos

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß

Christian Klar hat seine Strafe abgesessen. 26 Jahre lang saß der frühere RAF-Terrorist im Gefängnis, unter anderem wegen neunfachen Mordes. Rechtlich hat Klar gebüßt und damit ein Anrecht darauf, sich wieder ein normales Leben nach seinen Vorstellungen aufzubauen. Auch beruflich. Ob als Assistent im Theater, im Supermarkt an der Kasse oder in irgendeinem Büro. Der Deutsche Bundestag sollte es aber nicht sein. Denn dort arbeiten diejenigen, die Klar und seine Gefährten in den 70er Jahren während ihres "bewaffneten Kampfes" zum Sturz des "imperialistischen Systems" im Visier hatten - Politiker, die Vertreter des Staates, des "Schweinesystems", wie es im RAF-Jargon hieß. Dort trifft man auch auf die Nachfolger derer, die ebenfalls Opfer wurden: Polizisten, Menschen aus der Wirtschaft und der Justiz. Deswegen ist es eine Geschmacklosigkeit, die sich der Linke Dieter Dehm erlaubt hat.

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