970 Transporter, aber kein Kampfhubschrauber"Die militärische Führung nimmt die Realität zu wenig wahr"

Berlin. In Afghanistan sind seit Beginn des Bundeswehreinsatzes Anfang 2002 insgesamt 39 Soldaten ums Leben gekommen, 22 von ihnen bei Kampfhandlungen gefallen

 Die Porträts der drei in Afghanistan getöteten Soldaten sind in einer Kirche im niedersächsichen Selsingen aufgestellt. Dort wird am Freitag auch die Trauerfeier stattfinden. Foto: dpa

Die Porträts der drei in Afghanistan getöteten Soldaten sind in einer Kirche im niedersächsichen Selsingen aufgestellt. Dort wird am Freitag auch die Trauerfeier stattfinden. Foto: dpa

Berlin. In Afghanistan sind seit Beginn des Bundeswehreinsatzes Anfang 2002 insgesamt 39 Soldaten ums Leben gekommen, 22 von ihnen bei Kampfhandlungen gefallen. Angesichts der drei zu Ostern getöteten Soldaten stellen sich grundsätzliche Fragen: Warum halfen keine Kampfhubschrauber gegen die Taliban? Fehlt es am Hindukusch an der entsprechenden Ausrüstung für die Truppe?

Das Verteidigungsministerium verweist auf Zahlen: Am Hindukusch sind derzeit rund 970 geschützte Fahrzeuge - vom Schützenpanzer "Marder" und Transportpanzer "Fuchs" über das Patrouillenfahrzeug "Dingo" bis zum Geländewagen "Wolf". Ferner sind acht Transportflugzeuge, sieben Transporthubschrauber und sechs Aufklärungs-Tornados im Einsatz, außerdem Aufklärungsdrohnen. "Der Vorfall zu Ostern hatte nichts mit Ausrüstungsmängeln zu tun", unterstreicht ein Ministeriumssprecher.

Mehr als zehn Stunden dauerten am Karfreitag die Gefechte mit den Taliban nahe der nordafghanischen Stadt Kundus. Die Aufklärung sei jederzeit gegeben gewesen, sagt ein Offizier. Bei den aus Sicht der Soldaten "schwersten Gefechten der letzten Jahre" wurde auch Luftunterstützung der US-Armee angefordert. Sie kam aber diesmal nicht zum Einsatz. Zum einen sei der Kontakt der Truppen zu den Taliban "sehr eng" gewesen, zum anderen habe der Kampf teilweise in einem Dorf stattgefunden. Bomben hätten eine "unverhältnismäßige Gefahr" für Zivilisten dargestellt, heißt es bei der Bundeswehr. Als Alternative gelten bei den Militärs Kampfhubschrauber, über die die Bundeswehr eigentlich schon länger mit dem "Tiger" verfügen sollte, der aber aufgrund technischer Schwierigkeiten für Auslandseinsätze nicht bereitsteht. Doch bis heute sind die Deutschen auf die Hilfe der US-Truppen und ihre "Apache"-Hubschrauber angewiesen, die nach Kundus kommen.

Der designierte Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, forderte gestern den Einsatz von schweren Kampfpanzern in Afghanistan. "Wer in das Kanonenrohr eines Leopard 2 schaut, überlegt sich zweimal, ob er eine deutsche Patrouille angreift", sagte der FDP-Politiker dem "Tagesspiegel". Ein Sprecher des Heeres erwiderte: "Der Einsatz des Leopard in Afghanistan wäre eindeutig das falsche Signal an die Bevölkerung." Eine solche Besatzersymbolik sei "nicht mit dem politischen Auftrag der Bundeswehr zu vereinbaren".

In Afghanistan wird bei der Bundeswehr ohnehin weniger über fehlendes Material als vielmehr über Personalmangel geklagt. Und: "Das Problem ist nicht so sehr die Ausrüstung vor Ort, sondern eher die Ausbildung zu Hause", erzählen die Soldaten. So seien in Deutschland blutige, aber realitätsnahe Einsatzszenarien verpönt; auch fehle es in den Kasernen an ausreichend Fahrzeugen zur Fahrschulausbildung.

Herr Robbe, Sie haben Kritik an Ausbildung und Ausrüstung der Soldaten in Afghanistan geübt. Woran machen Sie die fest?

Robbe: Ich habe das nicht pauschal gesagt, sondern mache dies an Details fest. Ich habe die Soldaten, die jetzt in Kundus eingesetzt sind, vor ihrer Verlegung besucht. Mein Bild war, dass sie sich insgesamt gut vorbereitet fühlten. Aber trotzdem sind mir Defizite in der Ausstattung und der Ausbildung geschildert worden, die leider nicht neu sind.

Was meinen Sie konkret?

Robbe: Es fehlen Transportflugzeuge und Hubschrauber. Es kommt auch vor, dass Soldaten beispielsweise als Kraftfahrer in den Einsatz geschickt werden, obwohl sie für die schwer zu manövrierenden, gepanzerten Fahrzeuge mit einem Gewicht von mehr als zehn Tonnen nicht ausgebildet sind. Die Ausbildung erfolgt dann erst im Einsatz. Das ist absolut nicht zu akzeptieren.

Woran liegt das?

Robbe: Die Politik verlässt sich darauf, was die militärische Führung ihr rät. Die Vorlagen, die die Abgeordneten also zur Entscheidung bekommen, stammen aus der Feder von Uniformträgern. Ich habe den Eindruck, dass die Realitäten wie jetzt in Kundus zu wenig von der militärischen Führung wahrgenommen werden.

Sie erhalten ja jedes Jahr an die 6000 Eingaben von Soldaten. Wie hoch ist der Anteil der Beschwerden zu Auslandseinsätzen?

Robbe: Aus den Einsatzgebieten erreichen mich häufig Beschwerden. Zuletzt waren es etwa 600, bei denen es um Ausstattungs- oder Ausbildungsmängel geht. Oftmals werden meine Erkenntnisse durch die Eingaben zusätzlich bestätigt. Für mich ist aber ebenso entscheidend, was ich bei meinen unangemeldeten Truppenbesuchen aufnehme.

Sie würden aber auch von Krieg sprechen?

Robbe: Selbstverständlich. Das habe ich vor zwei Jahren schon getan. Zu dieser Zeit wurde mir von damaligen Verantwortlichen vorgeworfen, ich würde meine Kompetenzen überschreiten. Dabei habe ich nur das beschrieben, was die Soldaten im Einsatz erleben und mir gegenüber auch immer äußern. Kaschieren und schönreden hilft nicht, das führt nur zur Verunsicherung.

 Die Porträts der drei in Afghanistan getöteten Soldaten sind in einer Kirche im niedersächsichen Selsingen aufgestellt. Dort wird am Freitag auch die Trauerfeier stattfinden. Foto: dpa

Die Porträts der drei in Afghanistan getöteten Soldaten sind in einer Kirche im niedersächsichen Selsingen aufgestellt. Dort wird am Freitag auch die Trauerfeier stattfinden. Foto: dpa

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