Immer mehr Computerspiel-Süchtige Wenn der beste Freund das nächste Level ist

Berlin · 465 000 Jugendliche sind Computerspielsüchtig.

Sie heißen „Fortnite“, „Minecraft“ oder „FIFA“, und haben eine unglaubliche Sogkraft auf Jugendliche. Die DAK hat nun erstmals untersucht, in welchem Umfang Computerspiele schon zur Sucht geworden sind. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu einer gestern in Berlin vorgestellten Studie, für die insgesamt 1000 Jugendliche von zwölf bis 17 Jahren interviewt wurden.

Wie ernst ist das Problem?

Erheblich. 72,5 Prozent der Jugendlichen in Deutschland, das sind rund drei Millionen, spielen mindestens einmal pro Woche am Computer. Wenn sie ein Spiel aufrufen, dann bleiben sie im Durchschnitt zwei Stunden und 17 Minuten dabei, am Wochenende dreieinhalb Stunden. 465 000 Jugendliche zeigen bereits ein riskantes oder sogar süchtiges Spielverhalten; sie verbringen täglich drei Stunden mit dieser Aktivität, an Wochenenden fast fünf Stunden am Stück. Manche spielen bis tief in die Nacht. Jungen sind unter den Gamern doppelt so stark vertreten wie Mädchen, unter den Süchtigen sogar vier Mal so stark.

Woran erkennt man eine Abhängigkeit?

Es ist das ganze Repertoire des klassischen Suchtverhaltens. Die Betroffenen belügen ihre Umgebung und folgen ihrer Sucht oft heimlich. Sie verlieren soziale Kontakte. Bisherige Aktivitäten, etwa Sport, geben sie auf. Schulische Probleme folgen. Die Zahl der Fehlzeiten im Unterricht ist bei riskanten Spielern doppelt so hoch wie bei normalen Gamern. Viele Süchtige werden launisch und hyperaktiv. Das kann behandlungsbedürftig werden.

Was genau an den Spielen macht süchtig?

Die Angebote zielen darauf, die Nutzer möglichst lange im Spiel zu halten, weil nur so Geld damit verdient wird. „Die Spiele sind regelrecht darauf ausgerichtet, einen Kontrollverlust herzustellen“, so der Berliner Informatiker Gregor Engelmeier. Es gibt ständig neue Anreize und Erfolgserlebnisse, ohne ein festgelegtes Spielende. Wer seine bisher investierte Zeit nicht verlieren will, muss mitunter selbst in der Nacht dranbleiben.

Welche politischen Konsequenzen gibt es aus der Studie?

Am schlimmsten sind laut Andreas Storm, DAK-Chef und ehemaliger saarländischer Gesundheitsminister, so genannte Loot-Boxen, Überraschungskisten im Spiel, wo man gegen Geld neue Aufgaben oder Spielgegenstände bekommt. Storm forderte das Verbot dieser Praxis, wie es in Belgien und den Niederlanden schon gilt. Zudem forderte er die Hersteller auf, zeitliche Filter und Sperren in die Programme einzubauen. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), pflichtete dem bei und sagte, es mache sie „richtig ärgerlich“, wie Jugendliche abgezockt würden. Mortler: „Loot-Boxen sind Glücksspiel, und Jugendlichen Glücksspiel anzubieten, ist in Deutschland verboten. Da müssen die Aufsichtsbehörden einfach ran.“

Was können die Eltern tun?

Sie sollten ihren Kindern alternative Freizeitmöglichkeiten anbieten. Vor allem aber sollten sie sich informieren, was wann am Computer gespielt wird. Das Gerät sollte auch nicht im Kinderzimmer stehen, sondern an einem öffentlichen Ort in der Wohnung, riet die DAK. Nur so ließen sich Nutzungszeiten vereinbaren. Dafür gibt es Empfehlungen: Bei elf- bis 13-jährigen maximal eine Stunde am Tag, ab 14 Jahren höchstens 1,5 Stunden.

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