25 Jahre Nachtschicht für Frauen

Saarbrücken/Karlsruhe · Im Deutschen Kaiserreich entschieden Männer, dass Frauen besser nicht nachts arbeiten. 100 Jahre lang hielt das Verbot. Bis 1992. Da kippte Karlsruhe die Diskriminierung. Und seitdem sind Frauen fester Bestandteil der Nachtschicht – gerade im Saarland.

 Frauen in der Nachtschicht: Seit 1992 ist das in deutschen Fabriken wieder legal. Foto: Schmidt/dpa

Frauen in der Nachtschicht: Seit 1992 ist das in deutschen Fabriken wieder legal. Foto: Schmidt/dpa

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Die Nachtschicht ist für Krankenschwestern wie Charlotte Matheis vom Homburger Uni-Klinikum ganz normal. Arbeiten, wenn andere schlafen - das ist für Frauen auch in anderen Berufen längst üblich. Längst? Nun ja. Bis vor 25 Jahren gab es in der Bundesrepublik noch ein Nachtarbeitsverbot für Frauen , beziehungsweise speziell für Fabrikarbeiterinnen. 1892 war es im Deutschen Kaiserreich erlassen worden. Erst 100 Jahre später, am 28. Januar 1992, kippte das Bundesverfassungsgericht die Diskriminierung und mahnte gleichzeitig einen besseren Schutz für sämtliche Nachtarbeiter an.

Bei dem Verbot stand nach historischen Recherchen des Bayerischen Rundfunks weniger die Sorge um die Gesundheit der Frauen im Vordergrund. Vielmehr befürchteten Experten sittlichen Verfall, wenn junge Frauen ganz ohne elterliche Aufsicht nachts neben Männern in den Fabrikhallen schuften müssten. Freilich ließ sich das Verbot insbesondere in Kriegszeiten nicht aufrechterhalten, weil zu wenige männliche Arbeitskräfte da waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es nur in der Bundesrepublik, nicht in der DDR, wieder eingeführt. Im Westen bedurfte es der Klage einer Prokuristin, die in ihrer Backwarenfabrik mit einem Bußgeld belegt worden war, weil ihre Arbeiterinnen nachts Tortenböden verpackten.

Was hat es gebracht? Von 1994 bis 2014 hat sich der Anteil der regelmäßig nachts arbeitenden Menschen von sieben auf neun Prozent erhöht, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Männer arbeiten fast doppelt so häufig nachts (elf Prozent) wie Frauen (sechs Prozent). Im Saarland arbeiten nach Angaben der Arbeitskammer aktuell etwa 22 000 Frauen in Nachtarbeit - rund zehn Prozent aller erwerbstätigen Frauen . Die Zahl der nachts arbeitenden Männer liegt mit rund 78 000 (17 Prozent) immer noch weitaus höher. Während die männlichen Nachtarbeiter größtenteils in der Industrie arbeiten, schichten die weiblichen zu einem Großteil im öffentlichen und privaten Dienstleistungsbereich.

So wie Charlotte Matheis. "Pflege ist nunmal weiblich", sagt die Krankenschwester. Ohne Frauen , die bereit seien, nachts zu arbeiten, könnten die Patienten nicht versorgt werden. "Aber nachts zu arbeiten ist natürlich eine Belastung. Für Frauen und Männer gleichermaßen". Nur, dass Frauen häufig zusätzlich noch ihre Familie managen müssten.

Viel zu oft verzichten allein Frauen auf ein berufliches Fortkommen, um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu versorgen, beklagen die Gewerkschaften - und fordern Abhilfe. In diese Richtung geht das Recht auf befristete Teilzeit, das Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD ) noch bis September umsetzen will. Mehr Partnermonate in der Elternzeit und Anreize für die Teilzeitarbeit von Männern wären weitere Schritte.

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